Untitled
Giovanni fest. »Und noch etwas muß ich Ihnen sagen: Sie werden alle vierzehn Tage zum Bericht einbestellt, und nicht, wie das bisher der Fall war, alle vier Wochen.«
Er spürte körperlich, wie die Unterinspekteure den Atem anhielten.
»Guten Tag«, sagte Carcarò dann für alle. Kaum waren die Unterinspekteure gegangen, verschloß er die Türe mit dem Schlüssel und öffnete das Fenster: das Büro war zwar groß, doch so viele Personen in diesem Raum ließen die Luft trotzdem knapp werden. Oder wollte er den ungeheuer schlechten Eindruck vertreiben, den diese Männer auf ihn gemacht hatten? Er zog wieder die Landkarte hervor, die für den Schreibtischfuß hergehalten hatte, und ging auf die Suche nach Carcaròs Distrikt. Der war der größte von allen, er reichte von Santa Elisabetta bis Canicattì und schloß Aragona, Comitini, Grotte, Racalmuto und Castrofilippo ein. In seinem Distrikt befanden sich zehn der insgesamt zweiundachtzig Mühlen. Aus der Ablagemappe holte er sich die monatlichen Berichte von Carcarò hervor und fing an, sie durchzuarbeiten. Da gab es etwas, das nicht stimmte, aber er verstand nicht, was. Ein Klopfen. Er legte die Karte wieder in die mittlere Schublade zurück, verschloß sie mit einem Schlüssel, steckte diesen in die Tasche, legte Carcaròs Berichte wieder zurück in die Ablage und ging die Türe öffnen. »Es ist nicht notwendig, daß Euer Ehren die Türe abschließen. Ich steh' draußen vor der Tür und lass' niemand herein«, sagte Caminiti sehr distanziert.
Heilige Jungfrau, waren die alle empfindlich!
»Was ist?«
»Es ist, daß Seine Xellenza, der Präsident, Sie sehen möchte.«
»In Ordnung, ich schaue dann bei ihm vorbei.«
»Aber es ist schon eins! Nachher geht Seine Xellenza essen!«
Schon eins?
Der Commendatore machte den Eindruck, als würde er ein Mißbehagen fühlen.
»Entschuldigen Sie, Bovara, wenn ich Sie habe rufen lassen. Ich möchte nicht als jemand erscheinen, der sich in Ihre Arbeit einmischt…«
»Daran denke ich nicht im entferntesten. Immerhin sind Sie mein Vorgesetzter.«
»Schauen Sie, Bovara, das ist nicht ganz der rechte Ton für unsere Unterhaltung. Nichts mit Vorgesetzter, nichts mit Untergebener. Ich möchte Sie, wie soll ich sagen, väterlich, ja, väterlich bitten, noch einmal eine Ihrer Verfügungen zu überdenken, die Sie Ihren Unterinspekteuren auferlegt haben.«
»Haben sie sich bei Ihnen beschwert?«
»Aber woher! Beschweren! Das würden sie sich nie einfallen lassen! Sie sind nicht gekommen, um sich zu beschweren, sondern um etwas darzulegen, unbeschwert, eine bestimmte… eine bestimmte…«
»Verstimmtheit?« gab Giovanni vor. Der Präsident erfaßte allerdings nicht die Ironie.
»Ja, genau das! Verstimmtheit ist das passende Wort!«
»Und diese Verstimmtheit empfinden sie, weil ich ihnen gesagt habe, daß ich persönlich die Kontrolle ihrer Arbeit vornehmen werde, ohne Vorankündigung? Oder ist sie aufgekommen, weil ich alle vierzehn Tage Bericht erhalten will?«
»Hören Sie, Bovara. Ich selber hatte Bendicò mehrfach gedrängt, die Inspektionen persönlich vorzunehmen… aber, sehen Sie, er war ja schwer herzkrank, der Arme, glauben Sie mir, jede noch so kleine Bewegung hatte ihm schweren Schaden zugefügt.«
Was denn nun?! Bendico stand mit einem Bein bereits im Grab und war eigentlich schon mehr dort als hier, und trotzdem vögelte er sich durch die Gegend?
»Und wenn Sie sich recht erinnern«, fuhr der Commendatore fort, »habe ich Ihnen eine Kutsche zur Verfugung gestellt, weil ich es für die oberste Pflicht eines Hauptinspekteurs des Finanzpräsidiums halte, ich sage noch einmal: oberste Pflicht…«
»Dann beschweren sie sich also über die vierzehntägliche Einbestellung?« unterbrach Giovanni ihn unfreundlich. »Sehen Sie, Sie müssen verstehen, Bovara, daß die Straßen hier nicht so sind wie in Reggio Emilia… Straßen gibt es wenige, zumeist handelt es sich um Maultierpfade, fürchterliche Überlandwege… und die Entfernungen sind ganz schön, wissen Sie? Wenn Sie sie also alle vierzehn Tage nach Montelusa einbestellen, bedeutet das, daß diese armen Menschen, ohne wirklichen Grund, Reisen ausgesetzt sind, die ich zwar keineswegs gefährlich nennen will, aber…«
»Sie sind also, wenn ich Sie recht verstehe, nicht einverstanden.«
»Es geht nicht darum, ob ich einverstanden bin oder nicht, sondern darum, die Sache vom gesunden Menschenverstand und von
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