Untitled
unterschreiben und fragte den Sakristan nachher: »Um wieviel Uhr hast du die Kirchentüre abgeschlossen?«
»Um zwei Uhr nach dem Mittagessen, und ich hab sie um vier Uhr wieder aufgeschlossen, da stand Signora Ersilia schon da und wollte hinein.«
»Und dann hast du die Kandelaber angezündet.«
»Nicht doch.«
»Und wieso? Vielleicht, weil die Kandelaber nicht mehr dawaren?«
»Nicht doch, ich hab gar nicht gesehen, ob die da waren oder nicht. Die Kandelaber werden nur sonntags für die heilige Messe angezündet.«
»Wir müssen eine Ortsbesichtigung vornehmen«, sagte La Mantìa, der Stellvertreter des Polizeiamtsleiters.
»Ja, wo denn?« fragte Padre Carnazza alarmiert. Die Kandelaber standen nämlich auf seinem Eßzimmertisch, schon fertig für das Erscheinen Trisìnas am nächsten Morgen.
»Na, wo schon? In der Kirche natürlich, und wenn nötig, auch in der Sakristei und in der Wohnung von Euer Ehren.«
»Bei Gott, dem Allmächtigen!« rief Padre Carnazza aus. »Eine Hausdurchsuchung in meiner Wohnung, das wäre ein Sakrileg!«
»Wieso nun das?« erhitzte sich La Mantìa. »In der Kirche wohl, aber in Eurer Wohnung nicht?«
»Die Kirche gehört allen, aber meine Wohnung ist meine Wohnung. Ich mache Euch darauf aufmerksam: wenn Ihr meine Wohnung durchsucht, werden die Flammen der Hölle Euch in Ewigkeit verbrennen! Dann kommt der Fluch über euch, über Eure Kinder und Kindeskinder!«
»Über Eure Kindeskinder!« wiederholte der Chor leise und bedrohlich.
»Schon in Ordnung«, brach Spampinato die Sache ab. Er glaubte zwar nicht an Gott, war aber der Ansicht, daß man, wenn es hart auf hart käme, sich besser in acht nehmen sollte. »Werfen wir nur einen Blick in die Kirche.«
In einer Prozession zogen sie aus der Polizeidienststelle aus. Und sofort verbreiteten sich im Ort zwei gegensätzliche Gerüchte. Das eine war, daß der Polizeiamtsleiter endlich zu der Überzeugung gelangt sei, Padre Carnazza, diese verdammte Seele, gehöre verhaftet. Das zweite war, daß sich der Polizeiamtsleiter Spampinato, dieser Ungläubige, dieser Flücheschreier, nach einer nächtlichen Erscheinung der Mutter Gottes jäh bekehrt habe und nun in die Kirche gehe, um Vergebung für seine Sünden zu erflehen.
Im Haus von Fefè Ingrassia wurde Giovanni dessen Gattin Sarafina vorgestellt, Schmerzensmutter zweier kleiner Delinquenten, Michele, zehn Jahre alt, und Saverio acht, die nichts anderes taten, als sich zu prügeln, zu heulen und sich von einem Zimmer zum anderen nachzulaufen, wobei sie mit den Türen knallten. Sie aßen Pasta asciutta, Kaninchen auf Jägerart und Käse mit Gewürzen. Im Hinblick auf das unvermeidliche nächtliche Albdrücken aus Verdauungsgründen versuchte Giovanni, eine Riesenportion Cassata siciliana auszuschlagen, aber davon konnte gar keine Rede sein. Seinem Cousin Fefè ging es in seinem Beruf als Barbier offensichtlich nicht so schlecht. Während des Abendessens sprachen sie über ihre Verwandtschaft, aber gemeinsame Erinnerungen wollten sich nicht einstellen. Dann zwang Signora Sarafina die beiden Delinquenten mit Ohrfeigen und Fußtritten zu Bett, danach ging auch sie schlafen, mit den Nerven völlig am Ende. Die beiden Männer blieben alleine. Das Gespräch, um halb neun begonnen, endete drei Stunden später. Gespräch ist nicht ganz richtig, denn eigentlich redete fast nur Fefè Ingrassia. Und so erfuhr Giovanni:
- daß sein Vorgesetzter in Montelusa und Umgebung unter dem Spitznamen »Mistkäfer« bekannt war. Die Gründe dafür bekam er mit zahlreichen Beispielen er klärt;
- daß seine Hausvermieterin, Donna Trisìna Cìcero, zweifellos eine ganz große Hure war. Schön zwar, das stand außer Frage, aber eine Schlampe. Als nämlich ihr armer Mann noch lebte, hatte sie ihm mit Arazio Stancampiano, dem Obst- und Gemüsehändler, Hörner aufgesetzt, dann mit Toto Lopresti, dem Landbesitzer, und danach mit Trimarchi, dem Landvermesser. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie sich zuerst mit Gnazio Spampinato, dem Bruder des Polizeiamtsleiters, dann mit Advokat Fasùlo und danach mit Padre Carnazza, Pfarrer der Kirche Unserer Lieben Frau, eingelassen;
- daß dieser Padre Carnazza nicht nur als Frauenheld bekannt war, sondern auch als Geldverleiher. Von den Frauen der Gemeinde ließ er sich in Naturalien bezahlen. Den Männern dagegen zog er die Haut bei lebendigem Leibe ab. Der arme Tinino Fiannaca hatte sich einen Haufen Steine um den Hals gebunden und
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