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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Bessing
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dass Julia nicht gut für mich ist. Dass ein Konflikt entsteht, weil ihre Freundschaft zu mir wichtiger ist als meine Gefühle zu ihr. Konkret: Dass sie mir Julia wegnehmen werden, um mich zu retten – nur ich kann wissen, dass dies für mich das genaue Gegenteil einer Rettung bedeutete. Und es gibt noch einen oberflächlichen Grund für mein Verschweigen von Tatsachen, das eigentlich ein Lügen ist: Ich kann hier im lauschigen Grunewald beim Schein der Honiglampe, mit tropfnassen Kieferstämmen vor den Fenstern nicht vom Leben im schwarzen Verhau der schlimmen Stadt berichten. Da stehen Möbel auf der Terrasse und ein Schirm. Im Rasen hüpft eine Amsel aufund ab, die Kinder haben ihre iPhones hervorgeholt und spielen Doodle Jump (ich mag das kleine Männchen mit der Trötennase und mehr noch mag ich das Geräusch, das diese App während des Spielens produziert) – mit meiner Wirklichkeit verglichen kommt mir hier alles unwirklich vor.
    Ich habe Zeit verschwendet, weil sie mir unerträglich wurde ohne ein Wort von Julia. Ich habe ganze Wochen abgetötet, weil sie mir nutzlos waren, ohne Julia. An diesem Tisch sitzend wird mir klar, dass diese Wochen aber an sich nicht leer waren. Es waren Wochen meiner Lebenszeit. Ich habe mich selbst abzutöten versucht. Habt ihr eigentlich schon, fragt Katja und lässt das Satzende leer, aber als nichts von mir kommt: Habt ihr schon einmal miteinander geschlafen?
    Müsst ihr unbedingt machen, sagt Maxim.
    Katja sagt: Das verändert alles.

Unter den Linden
    Ich kann mich erinnern, dass es in der Nacht vor meinen Geburtstagen so war. Wenn ich bereits wusste, dass ich das gelbe Fahrrad bekommen würde. Die Rastlosigkeit und das Nicht mehr warten können kommen mir identisch vor. Ich weiß nicht, womit ich mich beschäftigt habe – weder trank ich noch habe ich geraucht, denn ich wollte so wohlriechend und hübsch wie nur möglich sein, wenn wir uns zum ersten Mal seit der halben Ewigkeit wiedersehen. Ich bin unfassbar nervös und eine viertel Stunde zu früh an dem verabredeten Treffpunkt zu Füßen der Schillerstatue inmitten des großen Platzes. Stets bin ich pünktlich, das war schon immer so, es ist wie ein Fluch, denn selbst wenn ich mir sozusagen Mühe gebe, einen Umweg nehme oder absichtlich eine Bahn sausen lasse, fügt es sich am Ende doch wieder so, dass ich der Erste sein werde. Es sind eine Menge Menschen um mich herum, die sich fotografieren, oder die Bauten – das Konzerthaus, den Französischen Dom –, sie handeln und bewegen sich an den Rändern meines Gesichtsfeldes, ich halte meinen Blick auf die Straße gerichtet, die an dem Platz vorbeiführt, und als ich die Person auf dem marineblauen Fahrrad sichte, wende ich mich ab, als hätte ich mich an dem Anblick verbrüht. Ich vollziehe das Abstellen und Umwickeln des Laternenpfostens mit dem Fahrradschloss in Gedanken mit und schaue erst wieder in die Richtung, aus der ich JuliasKommen vermute, als ich diese Tätigkeiten für erledigt empfinde. Sie ist nur wenige Meter weiter vorangekommen als gedacht. Es dauert zermürbend lange, bis sie mir gegenübersteht. Wir schauen uns an und sagen nichts – oder etwas Dummes wie Na?, es entzieht sich meiner Kontrolle, in mir ist es plötzlich sehr still und mir fällt rein gar nichts mehr ein.
    Komm, sagt Julia, und es fühlt sich an, als hätte sie meine Hand genommen, aber wir berühren uns nicht. Lass uns bitte fortgehen von hier.
    Im Gehen kann ich normalerweise am besten denken. Ja, es ist sogar so, dass die Geschwindigkeit meiner Schritte die Frequenz meiner Einfälle reguliert. Nun gehen wir nebeneinanderher und ich muss immer wieder den Impuls unterdrücken, meine Hände hinter dem Rücken ineinanderzulegen, weil ich gerade nicht mehr weiß, wohin mit ihnen. Natürlich würde ich Julia gerne anfassen, aber irgendetwas hält mich zurück. Nach einigen Metern fängt sie an zu sprechen, es beginnt mit einer Erzählung eines Tages auf der Skipiste, eine gefährliche Abfahrt, die sie meistern konnte, worüber sie so glücklich war, dass sie schreien wollte, und das habe sie dann auch getan. Dann berichtet sie von der Fahrt in dem Nachtzug und wie seltsam es war, in die Stadt einzufahren, weil sie, mit jedem weiteren Meter auf Berlin zufahrend, richtiggehend spüren konnte, wie das An mich denken müssen an Raum gewann. Ich beobachte sie scheu von der Seite und betrachte ihr schönes Gesicht mit den dunklen Augenbrauen und Wimpern und ihre Gesichtsfarbe, sie hatte es mir

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