Untitled
warnenderweise vorab schon geschrieben, aber sie ist wirklich sonnenverbrannt. Ich finde sie wahnsinnig attraktiv, und als sie sagt: Als ich zu Hause angelangt war und meine Sachen auspackte, wollte ich eigentlich noch an einem Aufsatz arbeiten. Dann merke ich: Mein Denkvermögen setzt vollkommen aus.
Ich bin Julia so dankbar für dieses Geständnis, denn nun ist es mir möglich, ihr zu gestehen, wie sehr ich sie vermisst habe, wie sehr sie mir gefehlt hat und all dies. Und dabei schaut sie mich aus den Augenwinkeln an, es ist dieser Blick von schräg unten zu meinen Augen herauf, den ich vom Nebeneinander auf den Fahrrädern fahren her kenne und der mir der liebste ist. Aber noch bleiben wir nicht stehen, wir überqueren den Boulevard Unter den Linden, wir gehen am Hauptgebäude der Universität vorbei und erreichen den Park vor dem Alten Museum. Es ist ein warmer Frühlingsnachmittag und es lagern schon Menschen auf dem Rasen rund um den Springbrunnen, der noch nicht wieder in Betrieb genommen worden ist. Mittlerweile ist unser Gespräch von einer Art, dass keiner von uns beiden noch genau mitbekommt, worum es sich dreht, das Gespräch ist die Erzählerstimme aus dem Off zu dieser Szene des Spaziergangs, sie spricht Blindtext: Lorem ipsum dolor sit amet consetetur.
Dazu sieht man die plappernden und lachenden Gesichter der Gehenden, sie sehen beide glücklich aus. Eine Lobotomie fühlt sich bestimmt ganz ähnlich an. Zur Abwechslung tut ein Gehirn voller Watte ganz gut.
An einem Geländer, darunter dunkles Wasser und ein Schiff der Polizei, bleiben wir wie auf ein Zeichen der Regie hin stehen und Julia nimmt mich fest in die Arme. Sie umschlingt mich und ich wünsche mir, ich könnte sie noch viel fester drücken, mich selbst durch sie hindurch gewissermaßen. So als wäre ich Nudelteig und sie ein Sieb. Die Watte ist gewichen, nun weiß ich, was ich will, und wir küssen uns. Lang. Sehr sehr lang. Da sind Hunderte von Spaziergängern, die meisten davon gehen in Paaren und Juliadeutet auf zwei ältere Personen, die identisch gekleidet sind. Vor jedem anderen Menschen, vor allem vor jeder anderen Frau hätte ich nun versucht, eine pointierte Bemerkung zum Partnerlook anzubringen. Zu Julia sage ich: Ich finde das sehr schön. Weil es die Wahrheit ist. Und weil, wie ich durch Julias Hilfe herausfinden werde, Wahrheit mit Wahrheit belohnt wird. Woraus ein schönes, ein reines weil – eben wahres Lebensgefühl entsteht.
Julia schaut mich an, sie hat große Augen, ihr Gesicht wirkt kindlich, sie sagt: Es darf dir nie schlecht gehen, versprochen.
Dir auch nicht.
Und sie umschlingt mich wieder und sagt: Fest versprochen!
Es ist ein Versprechen. Eine geheime Ehe, die nie gebrochen werden kann.
Auf dem Weg zu Purple Brain befrage ich sie nach ihrer Arbeit, aber die Off-Stimme hat wieder übernommen und in mir wächst auch ein Gefühl der Ängstlichkeit, weil mir die Lage des Institutes wie auf einem inneren Stadtplan vor Augen steht und ich darauf visualisiere, wie die noch verbleibende Strecke, ihrerseits nichts als ein Sinnbild der noch verbleibenden Zeit, von uns aufgegessen wird, gehenderweise. Ich hoffe sehr, dass mein Hochgefühl dieses Mal etwas vorhalten wird, bevor ich sie wieder derart schlimm vermissen muss. In einem Hofeingang küssen wir uns ein letztes Mal, dann muss sie los. Ich bitte sie, dass wir uns am Abend noch einmal wiedersehen, aber sie schaut mich an, sehr ernst, und sagt: Ich weiß nicht, wie das gehen soll.
Und das ist seltsam, denn obwohl sie mir damit sagt, dass wir uns nicht sehen können, wenn wir wollen, bin ich von ihr verzaubert. Bei jedem Menschen, der mir einen Wunsch nicht erfüllen will oder kann, mache und tue ich alles, um meinen Willen durchzusetzen. Wenn Julia etwas nicht will, kann ich das verstehen. Es ist mir sozusagen wichtiger, dass es ihr gut geht. Meine Wünsche erscheinen klein vor diesem einen, dem unausgesprochenen: Ich will immer Sorge dafür tragen dürfen, dass es Julia gut gehen wird.
Mein Hochgefühl hält eine ganze Nacht hindurch an. In der Frühe fliege ich zum Springreitturnier nach Paris.
Paradise Found
Das iPhone vibriert in meiner rechten Hosentasche, während ich mich zwischen Pferdetransportern und Freunden des Springreitens hindurch auf den Presseeingang des Grand Palais zubewege. Der Schirm ist mir bei der Bedienung des Apparates hinderlich, ich plaziere ihn auf einem Papierkorb und gehe einfach weiter. Erin ist dran und sie zitiert scheinbar
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