Untitled
beste Dame: die lachen wir aus! Unsere Körper sind flüssig geworden, süß und ganz golden – du schwitzt so schön, du bist so schön, was bist du bloß für ein wunderschöner Mensch! Wie gut, wie gut, wie gut das ist, dass es dich gibt! Ich wünsche mir so sehr, dich noch enger bei mir spüren zu können – Drück mich fest. So? Noch fester – So? Noch mehr? Ich glaube, das kann ich aber nicht. Macht doch nix! Ich liebe dich. So sehr! Ja! Ja. Ja? Ja.
Wir wachen auf, aneinandergepresst, versiegelt vom Schweiß und einer nie zuvor erfahrenen Adhäsion vonHaut an Haut. Zwischen jeder einzelnen Pore hat sich ein Vakuum gebildet. Ich betrachte ihren Körper zum ersten Mal. Es sind nur dreißig Prozent des Tageslichtes, die durch diese Spezialjalousie dringen, die ich mir für das raumhohe Fenster habe anfertigen lassen. Ich kann davon abstrahieren: Nicht nur bei mildem Licht betrachtet ist Julia Speer die schönste Frau der Welt.
Klar muss sie gehen. Das wirklich gute an einem wohldosierten Rausch ist die unendliche Ausgeruhtheit, die er einem nach der Ekstase noch für viele Tage schenkt. Ich lese und las viel über angebliche Depressionen, die solche Erlebnisse zwangsläufig nach sich ziehen. In meinem Fall hält das Hochgefühl sich mehr als drei Tage.
Istanbul
Ich stehe am Ufer des Bosporus, gleich bei dieser alten Uhr auf ihrem gemauerten Sockel, der ersten Uhr Istanbuls, wie man nicht erst weiß, seit Orhan Pamuk den Nobelpreis bekommen hat, und die schwer zu beschreibende Schönheit dieser letzten Weltstadt – sie hat mich schon wieder! Ich befinde mich auf dem Rückweg aus Beirut, wo ich mit Erin eine Recherche vorhatte, die so etwas von derart schiefging, dass mir noch immer die Worte dazu fehlen – müssen, denn die letzten zehn Tage stand ich, das werde ich in der ganzen sogenannten Tragweite erst erfassen, wenn sie mir die Schnappschüsse vorlegt, dergestalt unter Codein, dass es, bei weiter- oder fürderhin menschlichem Ermessen unmöglich ist, dass mein Beirut und das Beirut der in diesem Beirut lebenden oder auch nur befindlichen Beiruter auch nur irgendwie ein und dasselbe gewesen sein kann.
Ich lehne also an dieser Uhr, die, wie man seit Pamuk weiß, den heimlich Verliebten als Treffpunkt diente und dient, und entdecke, oder sie entdecken mich – Katja und Maxim.
Ihr hier!
Die Istanbul Biennale. Mir ist es peinlich, dass meine lieben Freunde mich in diesem Zustand antreffen: Meine Kreditkarte ist überzogen, ich habe seit Tagen nicht geduscht, mir wächst ein Bart.
Du rauchst?
Occasionally. Vor Jahren hatte ich eine Sprachkolumne in der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung. Der Beitrag, den ich noch heute gerne herzeige, hatte die Überschrift: Der, der sich auf Englisch schämt. Sie nehmen mich und mein Gepäck bei der Hand, ich habe eine solche Ehrfurcht vor der wortlosen Einigkeit dieses Paares und wir überlegen kein Stück, wohin wir uns setzen, wir begeben uns in die Obhut dieser lang gezogenen Zeltstadt vor dem Modernen Museum, wo sich die Stadtjugend niederlässt, um eine Wasserpfeife mit wahlweise Apfelgeschmack oder jenem nach Kirschen zu paffen. Süßigkeiten auf runden Tabletts aus Aluminium machen die Runde. Katja schenkt Raki ein und fragt: Was ist los?
Ich muss ihr nicht antworten, darin besteht der Gewinn einer Freundschaft. Sie berichtet mir von ihrem Lektüreerlebnis. Maxim liest langsam. Es dauert manchmal ein gutes Jahr, bis er einen mittelprächtigen Roman verarbeitet hat. Katja: Im Gegenteil. Oft gibt er ihr die Bücher, die sie für ihn verdauen soll. Auch das spricht für eine Paargemeinschaft. Unter anderem.
Und dennoch: ich sehe keinen Grund eine Paargemeinschaft allein für sich zu respektieren. Speziell im Falle Julias. Ich äußere mich überzeugt darin, der Mann für Julia zu sein (und sie meine Frau). Ich frage die Freunde um Rat. Und Maxim fällt ein Sammler ein, den er neulich über eine dubiose Person kennengelernt hat: sehr zuvorkommender Mensch, verdient sein Geld als Fabrikant von Brettspielen in der Gegend von Sydney. Tjaja, Australien.
Farewell
Ich wache auf und denke an Julia Speer. Das Letzte, woran ich denke, bevor ich in den unbewussten Zustand gleite, ist: Julia Speer. Je seltener ich sie zu Gesicht bekomme, desto häufiger meine ich sie im Straßenbild ausmachen zu können. Pfeift jemand, drehe ich mich um. Ich bin verrückt. Vielleicht bin ich es auch nicht, aber ich wäre es gern. So gern, denn dann müsste ich mir nicht mehr
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