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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Bessing
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und ich sehe mich weinen, ich sehe mich gekrümmt auf Hotelbetten liegen, in diversen Badewannen und auf den Fußböden davor, ich sehe mich laut schluchzend und mit der flachen Hand gegen Wände schlagen, bis es brennt und ich aufhören muss, weil es so wehtut; ich sehe mich heimlich weinend auf den Rücksitzen irgendwelcher Autos (ich selbst habe keins), vollgeheult kauernd in Toilettenkabinen, als Letzter an den Bars diverser Restaurants, zu Hause, bei Freunden, auf Waldlichtungen, irgendwo – kaum habe ich testweise an Julia gedacht, um herauszufinden, ob mein Gehirn noch funktioniert, spult sich das vergangene Jahr ab wie der berüchtigte Film – bedeutet das nicht, dass ich jetzt sterben muss?
    Ich habe keine Schmerzen. Selbst als ich diesem Mangel an Schmerzen hinterherfühle, ist dort noch immer: nichts.
    Aber mir ist schlecht. Es ist extrem hell um mich herum. Das Licht kommt aus Deckenstrahlern. Die Wände sind gelb gestrichen und in den weißen Fensterrahmen glänzt es schwarz. Da ist eine andere Person, die auf einem fahrbaren Bett mir gegenüber abgestellt wurde. Ich liege ebenfalls auf einem solchen Bett – anzunehmenderweise. Sehen kann ich das nicht.
    Die Person mir gegenüber liegt auf dem Rücken und bewegt sich nicht. Ein weiteres Bett steht an meinem Fußende. Ich kann einen Arm erkennen, abgewinkelt, der eine Kompresse auf dem Gesicht der dort liegenden Person gedrückt hält. Es ist der Arm dieser Person. Gesicht, Kompresse und Arm: ein und dieselbe Person. Ich befinde mich eindeutig in einer Krankenhaussituation. Aber noch immer in Australien – zumindest hoffentlich – und: meine Uhr! Es fällt mir schwer, den Blick scharf zu stellen. Mittlerweile ist es Montag, kurz vor ein Uhr in der Nacht. Was wird denn jetzt aus dem Treffen mit Julia?
    Ich kenne diese Art Bett, auf dem ich liege. In der Kantine des Verlagshauses, für das ich ein paar Jahre gearbeitet habe, wurden auf solchen Stahlgestellen die Wannen mit den Suppen und Salaten herumgefahren. In der Ablage unter der Liegefläche kann ich meine Umhängetasche ertasten. Meine Sonnenbrille, meine Karten, das iPhone, JuliasBuch: es ist alles noch da. Mir wird nicht schwindlig, als ich mich aufsetze. Es ist niemand hier, der mich davon abhalten will, dass ich aufstehe. Ich halte mich an dem Stativ mit dem Infusionsbeutel fest und bewege mich schiebenderweise in Richtung der Glastüren. Dahinter ist es dunkel. Aus einem Türspalt streckt sich mir ein Gesicht entgegen und fragt, wo ich hinwill. Ich halte das Telefon hoch, er deutet in die Richtung der Glastüren, nach draußen, dort gibt es Empfang. Julia schaltet ihr iPhone nach Mitternacht in den Flugmodus, das weiß ich. Ich tippe eine SMS : Ich hatte einen Unfall und bin im Krankenhaus. Komm bitte: J
    Wo bin ich hier eigentlich? Gute Frage. An dem Gebäude steht Radiology, sonst nichts. Da sind hohe Gebäude rings um die Rasenfläche, auf der ich stehe, die Fenster teilweise erleuchtet, aber es gibt keinen Schriftzug auf einem der Flachdächer. Haben Krankenhäuser überhaupt ihren Namen als Leuchtschrift auf den Dächern, oder machen das nur die Banken?
    Der Pfleger sitzt noch immer hinter dem Türspalt. Er schreibt mir den Namen des Krankenhauses auf meinen Handrücken (Nichtschlauchseite). Ich schiebe das Stativ noch einmal durch die Glastüren und tippe noch eine Nachricht an Julia: Ich liege im Balmain Hospital. Dann spreche ich ihr die Neuigkeiten auf die Mailbox. Dann gehe ich zurück ins Bett.
    Ich muss eingeschlafen sein oder etwas Ähnliches, denn es ist dunkel in dem Raum, in dem ich erwache. Und mein Zustand hat sich währenddessen ebenfalls verändert, denn ich werde von Schmerzen geweckt. Ich lasse die Augen offen stehen, weil ich hoffe, dass der Kopfschmerz davon erträglicher wird. Da steht noch ein Bett neben mir, die Person scheint zu schlafen, jedenfalls bewegt sie sich nicht. In derKonsole über meinem Kopf ist ein glimmender Punkt, wie ein Zigarettenanzünder, ein Knopf, den ich drücke, weil eine Nachtschwester kommen soll. Die Schmerzen in meinem Kopf sind kaum auszuhalten. Wenn ich das Stöhnen unterdrücke, wird der Schmerz durch das gedämpfte Summen ebenfalls vermindert. So als sei dieser schmerzsignalisierende Teil meines Nervensystems an eine Membrane in meinem Rachen gekoppelt. Der Schmerz fühlt sich an, als sei zusätzlich zu meinem Gehirn noch eine schwere Kugel in meinen Schädel entlassen worden und eierte dort nun wie in einem Roulettekessel

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