Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Bessing
Vom Netzwerk:
Mal zum Thema. Wir skypten. Sie sagte mir, dass ich gut aussähe, ich fand Julia auch wunderschön. Sie fragte mich, wie ich mit der Sache zurechtkäme, und ich erzählte ihr, dass ich mich befreit fühlte. Und dass meine Ersparnisse noch weit bis ins nächste Frühjahr reichten – Sydney schien teuer, Berlin war es noch nicht. Zudem wollte mein Anwalt dafür sorgen, dass sich meine materielle Situation noch weiter verbesserte. Das schien Julia gut zu gefallen, ihre Augen wurden ganz rund und durch dieetwas irritierende Tonqualität der transkontinentalen Verbindung kam das Echo ihrer Worte zuerst bei mir an, dann erinnerte sie mich an unser Versprechen: Es darf dir nie schlecht gehen! Das wusste ich zwar, aber es war wie aufgefrischt, als ich es genau so von ihr hörte. Und dann mussten wir beide lachen, denn ein großer Schmetterling landete auf ihrer Schulter. Und dann schauten wir uns lange an. Ohne etwas zu sagen. Das Dumme bei Skype – aber das hatte ich ja bereits erwähnt, und es ließ sich auch nicht ändern. Auf ihre unbeschreiblich sanfte, trotzdem unnachgiebige Art hatte Julia mir beigebracht, keinerlei Fragen mehr nach der Zukunft zu stellen. Zwar hielt ich selbst überhaupt nichts von Plänen, Planungen machten mir Angst, aber im Falle Julias (und mir) war ich in den Anfängen unserer gemeinsamen Vergangenheit doch regelmäßig ängstlich geworden, hatte zu wissen begehrt, wohin uns das führen würde – also eigentlich: mich. Auf dieses von ihr offenbar mehr wie Drängeln denn Quengeln empfundene Verhalten hatte Julia gereizt, falls ich nicht klein beigab, erschreckend aggressiv reagiert: Wenn man ein Tier in die Enge treibt –, das beißt, hatte sie mir einmal ihr Verhalten zu erklären versucht. Aber zu keiner Zeit hatte ich Julia als Tier betrachtet. Ich liebte Julia. Julia war eine Frau. Und ich wollte alles tun, dass sie in mir ihren Mann erkannte.
    Es gab noch einige solcher Auseinandersetzungen, denn natürlich lässt sich das Ende des Sorgens nicht willentlich beschließen, so wie es manche mit als lästig oder ungesund empfundenen Angewohnheiten fertigbringen. Und in der Folge unserer Gefechte veränderte sich auch etwas in unserem Verhältnis zueinander. Ich konnte das nicht bedauern, denn ich nahm es als ein Zeichen für den bekannten Verlauf, den Liebesbeziehungen nun einmal nehmen. Und obwohl diese Veränderungen – eine minimale Abkühlung, eine minimale Verschließung der Herzen voreinander, ein Herunterklappen der Visiere – in meinem romantischen Herzen als Eintrübungen unserer Liebe empfunden wurden, hielt ich mir das damit einhergehende Bestehen der Realitätsprüfung als einen Gewinn vor Augen: Schließlich hatte ich gerade mithilfe dieser schmerzhaften Erlebnisse den Beweis erhalten, dass es eben doch eine richtiggehende Liebesbeziehung war, die ich mit Julia erlebte – gleich wie virtuell unser Beziehungsalltag sich auch darstellen sollte. Und all den damit verbundenen Schwierigkeiten zum Trotz.
    So dreckig es mir in den Tagen nach der Abreise Julias ergangen war – gerade erschien mir mein Zustand nahezu stabil, wenn nicht sogar gut. Ich fühlte mich Julia wieder etwas nähergerückt. Und das war freilich ein schönes Gefühl. Eines, dessen religiöser Grundzug nicht abzustreiten war. Und eben nicht, weil ich Julia sogenannt abgöttisch liebte! Ich hatte ja überhaupt keinen Gott, wollte auch keinen haben und hatte dies mit einer Tätowierung aus Beirut zumindest für alle der arabischen Schrift Kundigen extrem klargemacht. Aber das Wesen meiner Hoffnung, dass es mit Julia und mir irgendwann noch einmal gut werden könnte – gut hierbei in der Bedeutung von: das Leben zusammen verbringen; dass sie eben doch die entführte Pferdeprinzessin war, wie mir das einst in Paris im Grand Palais eingefallen –, dies konfus anklammernde Denken an das Unwahrscheinliche entsprach doch so ziemlich den Motiven jener Menschen, die sich sonntagvormittags nicht in der Panoramabar, sondern in Kirchen versammelten, von ihrem Fortbestand nach dem Exitus überzeugt waren, sich ungehemmt vermehren wollten, ihrer Überzeugung nach und aufgrund all dessen nicht vom Affen abstammen konnten.

    Trotz allem befand sich eine Befähigung zu Glauben in mir. Und bis dahin war die Idee einer Kirche auch positiv besetzt. Das änderte sich dann an jenem Abend, zwei Wochen nach dem aufwühlenden Treffen mit meiner Therapeutin, als ich, wie in jener Zeit üblich, früh zu Bett gegangen war. Und wie ich es

Weitere Kostenlose Bücher