Untitled
derart, daß längst alles, was ich tue oder im Begriffe stehe zu tun, mich nicht einmal zu einem Tausendstel entschulden kann. Ich habe ihm indessen einen Altar in meinem Herzen errichtet, und ich verehre ihn im Stillen, ohne dessen je müde zu werden.
In diesen Worten ist ein pathetischer Ton hörbar, der äußerst falsch klingt. Und dieser Ton läßt sich noch oft vernehmen, wenn Luigi indirekt über seinen Vater spricht: er wechselt mit der gleichen Vehemenz von einem Extrem zum anderen. Er ahnt mehr oder weniger dunkel, daß hinter dieser Geste die bangende Liebe von Donna Caterina steckt (gewiß war sie es, die Don Stefano überredet hat), aber dahinter liegt auch so etwas wie ein väterlicher Plan, um Luigis nicht nur wirtschaftliche ›Abhängigkeit‹ deutlich zu machen. Mit anderen Worten: es ist Don Stefano, der in die offizielle Weihe seines Sohnes als Dichter einwilligt. Und Luigi fühlt sich in dieser Situation immer gefesselter und hilfloser. In einem Brief vom 1. März 1891, das heißt zwanzig Tage vor seinem Rigorosum, bittet er seine Schwester Lina und ihren Gatten um ein Darlehen:
… selbst wenn es mich beide Hände kosten sollte, will ich an Papa nicht schreiben und werde es auch nicht. Er hat mir so unendlich viel geschickt (er hat mir ja auch die Veröffentlichung von Ostern bezahlt), so viel, sage ich, daß ich nicht den Mut und die Überzeugung aufbringe, ihn auch nur um einen Centesimo zu bitten. Ihr werdet verstehen, daß ich ihm nicht schreiben kann »schicke mir 300 Lire, die ich Dir Ende März zurückzahlen werde…«
Lina und ihr Mann schicken ihm postwendend den Betrag, und so kann sich Luigi unbeschwert auf das Rigorosum vorbereiten.
Doch die ganze Angelegenheit der Veröffentlichung von Ostern könnte man auch anders, bösartiger sehen. Gedruckt und veröffentlicht zeugen diese Gedichte von der Beziehung zwischen Luigi und Jenny (der dieser Band im übrigen gewidmet ist) und belasten damit schwer die sich in voller Krise befindliche Verlobung mit seiner Cousine Lina. Eine unbesonnene Geste von Don Stefano oder kalt kalkuliert?
DIE PROMOTION
Das Rigorosum findet am 21. März 1891 statt, und zwar
in einem erschlagenden, fürchterlichen Rahmen. In der Aula steht eine riesige Tribüne, zu der drei Stufen hinaufführen. Auf diesen stehen Katheder. Auf der obersten Stufe sitzen die Professoren, in Robe und Barett. Der Kandidat auf die Doktorwürde der Philosophischen Fakultät sitzt auf der untersten Stufe. Vor dem eigentlichen Rigorosum steht ein sehr langes, sehr ermüdendes Magister-Examen in Philosophie, Geschichte und Naturwissenschaften. Luigi weiß, daß sein Schwachpunkt die Naturwissenschaften sind: ihm werden sogar Fragen aus der Zoologie gestellt. Der Beinahe-Zusammenbruch kommt aber mit den Fragen zur Mathematik: er ist so verwirrt, daß der Professor anfängt, ihn freundlich zu hänseln, indem er ihm mit einem Kindertrick beweist, daß die Finger beider Hände elf und nicht zehn ausmachen. Drei Stunden lang beantwortet er die Fragen von Buechler, dem berühmten Latinisten, über Grammatik und Geschichte von Texten. Nicht weniger komplex das Examen in Romanistik. Jedenfalls hatte er mit Genügend bestanden. Die Dissertation wird, außer gegenüber den Professoren, auch gegenüber den Opponenten verteidigt, das heißt einem Studenten des letzten Jahrganges und einem bereits auf diesem Gebiet Promovierten. Am Ende wird die Dissertation Laute und Lautentwicklung der Mundart von Girgenti allseits anerkannt und zugelassen, und Luigi kann von seiner Richtstatt niedersteigen, auf der er, wie ein heiliger Sebastian, allen möglichen Pfeilen ausgesetzt war.
Ihm wird die Toga angelegt, der große Doktorhut
aufgesetzt, und so gewandet läßt man ihn auf die silbernen Stäbe schwören, welche die Diener kreuzweise vor ihm halten. Dann ist das Ritual zu Ende.
Die Dissertation wird mit einer Widmung für Professor Foerster veröffentlicht, und der große Meyer-Lübke rezensiert sie positiv in dem angesehenen »Literaturblatt für germanische und romanische Philologie«.
An dieser Stelle gibt es nun etwas Mysteriöses.
Im März 1891 erlangte ich die Doktorwürde in Romanistik zur großen Zufriedenheit meines unver geßlichen Lehrers in Rom, Ernesto Monaci, und verbrachte das folgende akademische Jahr noch in Bonn in der Eigenschaft als Lektor für italienische Sprache an der Universität.
Gaspare Giudice erzählt, daß Luigis Bruder Innocenzo das
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