Untitled
Insel, wieder in sein Heimatland zurückreist. Wieso ausgerechnet Deutscher und nicht etwa Engländer? Weil Luigi, um seine Verschiedenartigkeit deutlicher zum Ausdruck zu bringen, mit großem Übermut den einen oder anderen Akzent einer etwas mehr deutschen Aussprache hat einfließen lassen.
Und über sein deutsches »Erscheinen« gibt es noch einen Bericht, nämlich von Luigi Capuana, der ihn sehr schätzt und davon überzeugt, die Lyrik aufzugeben und sich der Prosa zu widmen, der Erzählung.
»Blond, mit einem Nazarenerbärtchen, die Haare ein wenig lang und nach hinten geworfen, unter einem breitkrempigen Biberpelzhut (›eine Art Sombrero‹ würde sein girgentanischer Freund De Gubernatis sagen), lag in seiner aufgeweckten, stattlichen Erscheinung und im sanften Ausdruck seines beinahe blassen Gesichts etwas, das in ihm keinen Sizilianer vermuten ließ. Viele hielten ihn für einen deutschen Studenten, der nach dem Abschluß seines Studiums die obligatorische Reise nach Italien machte…«
Das letzte Problem, dem er sich stellen und das er lösen
muß - darüber ist sich Luigi durchaus im klaren -, ist das Abstreifen der unsichtbaren Kette, die ihn gefangen hält: die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Vater. Solange diese Abhängigkeit fortbesteht, sind alle seine Versuche, ein wirklicher vertauschter Sohn zu sein, nur pathetische Anwandlungen.
ICH BIN NICHT KLEIN GEBOREN
In Rom, so hat Gaspare Giudice geschrieben, trifft Luigi mit dem eindeutigen Willen ein, ein »Berufsschriftsteller« zu werden. Er weiß, daß das nicht leicht ist, aber er kann sich nicht entfernt vorstellen, wie schwierig allein schon die Bitte ist, Zutritt zu diesem Kreis zu erhalten. Und dazu kommt: er hat nicht einmal das Schreckgespenst des Militärdienstes im Rücken; den macht, einem damals gültigen Gesetz entsprechend, sein Bruder Innocenzo für ihn. Also verbringt er Tage und Nächte damit, seitenweise Papier mit Gedichten, Novellen, Komödien und Dramen zu füllen. Er hat sogar einen Roman geschrieben, den niemand veröffentlicht. Alles, was er in der Lage ist zu verdienen, sind ein paar Lire durch mühsame journalistische Mitarbeit.
Er könnte seine Doktorarbeit und seinen Doktorgrad dienstbar machen und sich der Lehrtätigkeit widmen, doch er fühlt, daß diese Beschäftigung für den Augenblick wie eine Herabsetzung seiner Fähigkeiten wäre.
Um sich also in Rom über Wasser zu halten, bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Vater um Geld zu bitten. Der Monatswechsel reicht oft nicht aus. Ich bin nicht klein geboren, noch kann ich mich mit wenigem zufrieden geben.
So rechtfertigt er seine drängenden Bitten um Geld. Außerdem ist er sicher, daß er nicht diesen Wind um den Hintern habe, der andere Autoren dazu antreibt, veröffentlicht oder gespielt zu werden und Geld zu verdienen. Als er in Ferien geht, hat er kein Geld, um das Hotel zu bezahlen, er kann sich keine Wäsche kaufen. Er schreibt seiner Familie Briefe, die halb ernst, halb speichelleckerisch sind.
In der Ferne sehe ich einen Mann, der sich von morgens
bis abends mit einer anderen Arbeit abrackert, die viel härter ist als meine und weitaus weniger liebenswert. So daß also einerseits meine Schufterei angesichts der seinen sich in nichts auflöst, andererseits aber meine Mutlosigkeit und Niedergeschlagenheit zunehmen.
Don Stefano ist gelegentlich bereit, weiteres Geld zu schicken, andere Male zögert er ein bißchen. Luigi fühlt sich aber in jedem Fall niedergeschlagen, sei die Antwort nun negativ oder positiv. Wahrscheinlich wäre er weniger gedemütigt angesichts einer negativen Antwort, die ihn dazu zwingen würde, weiterhin zu beharren: dieses Nein von Don Stefano bekräftigt in gewisser Weise nur das Spiel der Kontrahenten: wenn er ein vertauschter Sohn ist, warum sollte Don Stefano ihm gegenüber dann irgendwelche Verpflichtungen haben?
Und mit Blick auf die Wäsche, die er nicht kaufen kann, kommentiert er: Ich hätte sie mir anschaffen müssen, wenn ich eine Frau genommen hätte; ich habe aber keine Frau genommen und bin sozusagen nackt geblieben.
Apropos Ehe. In dem Abschiedsbrief an die Verlobte hatte er geschworen: Ich habe es dir gesagt: ich werde an keine Frau auf der Welt mehr denken, ich werde dir mein Leben lang verbunden bleiben…
Aber es ist ja nicht gesagt, daß eine Ehe unbedingt aus Liebe geschlossen werden muß. Und außerdem zeigen sich bei einer Liebesheirat die Möglichkeiten einer
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