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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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dem Zeugnis seines Sohnes Stefano nach, mit offenem Verdruß reagierte, wie bei jenem Mal, als eine Studentin ihm schrieb, daß sie sich umbringen würde, wenn der Herr Professor sich ihr gegenüber weiterhin so gleichgültig zeige, woraufhin Luigi, entsetzt über die Verantwortung, in die Direktion stürzte; oder das andere Mal, als eine Studentin anfing, ihm kleine Liebesbotschaften auf Zetteln in die Manteltaschen zu stecken, bis Luigi diese Tatsache vom Katheder herab öffentlich verkündete und dabei die Zettel zerriß und sie in den Papierkorb warf. Und natürlich, so schreibt Giudice, stürzte sich die gesamte Klasse, kaum daß der Professor gegangen war, auf die Schnipsel und setzte sie wieder zusammen.
      Dieser Bericht von Paola Boni-Fellini bezieht sich auf die ersten Jahre seines Unterrichts. Es lohnt sich aber auch, sie mit den Worten einer anderen Studentin, Lucia Pagano, in Erinnerung zu behalten:
    »Fast immer begnügte er sich, mit wenigen, ironischen Sätzen die kreativen Anstrengungen von uns armen Fräuleins zu zerstören, die wir vor Erregung zitternd aufstanden, um die wenigen Seiten des Protokolls vorzulesen, die so sorgfältig in der eitlen Hoffnung gefüllt worden waren, ein ermutigendes Wort von diesen seinen Lippen zu hören, die halb zwischen dem Oberlippenbart und dem grauen Spitzbart verborgen waren, und er die Haltung eingenommen hatte, die er gewöhnlich einnahm: mit auf dem Katheder gestützten Ellbogen und die Stirn auf der Hand, so, als wäre er immer müde, todmüde…«
    Und müde muß er wohl gewesen sein, wenn er nicht mehr in der Lage war, seine Müdigkeit zu verbergen, wenn er jetzt die Aufsätze seiner Studentinnen mit geißelnder Ironie kommentierte, genauer gesagt: zerstörte, wenn diese Hand an der Stirn nicht nur dazu diente, den Kopf aufzustützen, sondern auch, um all diese Gesichter von jungen Frauen, die ihn ekstatisch anstarrten, aus seinem Blickfeld teilweise auszublenden.

    DAS VERFLUCHTE JAHR 1903

      Die Vermutungen Calogero Portolanos hinsichtlich der Unüberlegtheit bestimmter Spekulationen von Don Stefano, die Luigi abgetan hatte, erweisen sich alle als richtig. Don Stefano hatte eine große Schwefelmine in der Umgebung von Aragona gepachtet, das nur wenige Kilometer von Girgenti entfernt lag. Die Mine, deren Maschinen und sonstige Ausrüstung er mit dem Einsatz seines gesamten Vermögens erneuert hatte, lief anfangs gut. Dann überflutete sie ganz plötzlich (es könnte auch sein, daß sie in Brand geriet - wie auch immer, sie wurde zerstört und verursachte Tote, Ruin, Trostlosigkeit allenthalben) und die Schadensschätzung überstieg den Betrag von vierhunderttausend Lire. Das war das Ende. Und Don Stefano schrieb das alles an seinen Sohn Luigi. Doch weil Luigi in der Lehranstalt war, wurde der Brief Antonietta ausgehändigt, die, als sie die Handschrift ihres Schwiegervaters erkannte, den Brief wie gewöhnlich öffnete und las.
      Ein paar Stunden später kam Luigi nach Hause und fand Antonietta halbgelähmt, mit verlorenem Blick, zerstört in einem Sessel vor. Das ist der offenkundige Beginn jener Geisteskrankheit, die, in den ersten Jahren ihr Auf und Ab hat, sich aber mit der Zeit verschlimmert.
    Bei der Lektüre kurzer biografischer Anmerkungen zu Pirandello stößt man oft unweigerlich an einem bestimmten Punkt auf die Behauptung, daß Antonietta aufgrund des Verlusts ihrer Mitgift wahnsinnig geworden wäre, eines Verlusts, der durch falsche Spekulationen ihres Schwiegervaters eingetreten sei. Gewiß, die Sache verhält sich im wesentlichen so, doch wenn man alles auf das Wesentliche reduziert, führt das letzten Endes dazu, daß sich im Kopf des nicht ganz so erfahrenen Lesers der Eindruck von einer Frau festsetzt, die so sehr dem Geld hörig ist, daß sie den Verstand verliert, sobald das Geld verschwunden ist.
      Ist das Eheleben für Luigi ganz sicher nicht glücklich geworden, so ist es für Antonietta noch viel weniger glücklich verlaufen. Mit ihr sprach Luigi nicht über seine Arbeit als Schriftsteller, denn er hielt sie nicht für ebenbürtig, und es ist zu vermuten, daß er ihr nicht einmal etwas über die Probleme erzählte, mit denen er während des Unterrichts konfrontiert war. Wenn er nach Hause zurückkam, fing er an zu schreiben, Aufsätze zu korrigieren und manchmal konnte er es einrichten, seine Freunde zu besuchen. Wenn andererseits Antonietta sich als Mutter um drei kleine Kinder kümmern mußte, so lebte sie als Frau in

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