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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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ein Paar trockener Pantoffel geschlüpft war, zerrte ich ihn hinaus, nachdem ich ihm zunächst einmal den Speer aus der Seite gezogen hatte, eine Operation, die ich – wie ich gestehen muß – mit festgeschlossenen Augen vornahm. Seine Fersen hüpften über die niedrige Schwelle; seine Schultern waren gegen meine Brust gedrückt; verzweifelt umfaßte ich ihn von hinten. Oh, er war schwer, schwer; schwerer als irgendein Mann auf Erden, denke ich.
      Dann kippte ich ihn ohne viele Umstände über Bord. Die Strömung erfaßte ihn, als sei er ein Büschel Gras, und ich sah, wie sich sein Körper zweimal umdrehte, ehe ich ihn für immer aus den Augen verlor. Inzwischen hatten sich alle Pilger und der Direktor an Deck unter dem Sonnensegel um das Ruderhaus versammelt und kakelten miteinander wie eine Schar aufgeregter Elstern, und ein entrüstetes Gemurmel über meine herzlose Eile war zu hören. Wozu sie jenen Leichnam herumliegen lassen wollten, weiß ich nicht. Vielleicht, um ihn einzubalsamieren. Doch ich hörte noch ein anderes, ein sehr bedrohliches Gemurmel vom Deck unter mir. Meine Freunde, die Holzfäller, waren ebenfalls entrüstet, und das aus einem sehr viel verständlicheren Grund – wenn ich auch zugeben muß, daß der Grund absolut unzulässig war. Oh, absolut! Ich war zu der Überzeugung gelangt, wenn es schon das Los meines Rudersmannes war, verspeist zu werden, dann sollte er den Fischen vorbehalten bleiben. Er war zu Lebzeiten ein sehr zweitrangiger Rudersmann gewesen, doch jetzt, da er tot war, mochte er zu einer erstrangigen Versuchung werden und möglicherweise Unfrieden stiften. Außerdem mußte ich ans Ruder, da sich der Mann im rosaroten Pyjama als hoffnungsloser Stümper erwies.
      Dies tat ich auch, sobald die schlichte Bestattung vorüber war.
      Wir fuhren mit halber Kraft, hielten uns in der Mitte des Stromes, und ich horchte auf das Gerede rings um mich her.
      Sie hatten Kurtz aufgegeben, sie hatten die Station aufgegeben; Kurtz sei tot, und die Station niedergebrannt – und so weiter – und so weiter. Der rothaarige Pilger geriet schier außer sich vor Freude bei dem Gedanken daran, daß dieser arme Kurtz wenigstens gebührend gerächt worden sei. ›Hören Sie mal! Wir müssen doch ein ganz schönes Gemetzel unter den Kerlen im Busch angerichtet haben. Was? Was meinen Sie?‹ Er führte einen regelrechten Tanz auf, der blutrünstige, kleine, feige Wicht. Und er war fast in Ohnmacht gefallen beim Anblick des Verwundeten! Ich konnte mich nicht enthalten zu erwidern: ›Immerhin haben Sie schön viel Qualm gemacht.‹ An der Art, wie die Wipfel der Büsche geraschelt hatten und abgeknickt waren, hatte ich abgelesen, daß fast alle Schüsse zu hoch gegangen waren. Man trifft auch nicht, wenn man nicht zielt und richtig anlegt; diese Knaben dagegen feuerten aus der Hüfte und mit geschlossenen Augen. Der Rückzug, behauptete ich – und ich hatte recht damit –, war durch das Kreischen der Dampfpfeife bewirkt worden. Hierauf vergaßen sie Kurtz und begannen, mit entrüsteten Protesten über mich herzufallen.
      Der Direktor stand neben dem Ruder und murmelte vertraulich etwas von der Notwendigkeit, möglichst schnell von hier fort- und vor Einbruch der Dunkelheit um jeden Preis noch ein gutes Stück den Fluß hinunterzukommen, als ich in der Ferne eine Lichtung und die Umrisse eines Gebäudes erblickte.
      ›Was ist das?‹ fragte ich. Er klatschte verwundert in die Hände.
      ›Die Station!‹ rief er. Ich hielt sogleich darauf zu, noch immer mit halber Kraft.
      Durch meinen Feldstecher sah ich den Abhang eines Hügels, mit einzelnen verstreuten Bäumen und ohne alles Unterholz.
      Ein langes zerfallenes Gebäude auf der Anhöhe war halb in dem hohen Gras begraben; schwarz gähnten mir aus der Ferne die großen Löcher in dem spitzen Dach entgegen; Dickicht und Wald bildeten den Hintergrund. Es gab keine Einfriedung und auch keinen Zaun; aber offensichtlich hatte es einmal einen gegeben, denn in der Nähe des Hauses war ein halbes Dutzend schlanker Pfähle in einer Reihe stehengeblieben, roh behauen und oben mit einer geschnitzten Kugel verziert. Das Gatter, oder was immer sich dazwischen befunden haben mochte, war verschwunden. Natürlich schloß der Wald alles ein. Das Flußufer war frei, und stehend am Wasser erblickte ich einen Weißen, der einen Hut groß wie ein Wagenrad auf dem Kopf hatte und beharrlich den Arm schwenkte.
      Als ich mir den Waldrand unten

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