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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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und auf der Anhöhe betrachtete, war ich fast sicher, dort Bewegungen zu sehen – menschliche Gestalten, die hin und her glitten. Zur Vorsicht dampfte ich an der Station vorüber, hielt dann die Maschine an und ließ das Schiff zurücktreiben. Der Mann am Ufer begann laut zu rufen und drängte uns, eilig an Land zu kommen. ›Wir sind angegriffen worden‹, schrie der Direktor, ›Ich weiß – ich weiß. Schon gut‹, brüllte der andere zurück, so fröhlich, wie ihr nur wollt. ›Nur zu. Schon gut. Ich bin froh.‹ Sein Anblick erinnerte mich an etwas, das mir schon sonst einmal begegnet war – etwas Drolliges, das ich irgendwo gesehen hatte. Während ich manövrierte, um längsseits zu kommen, fragte ich mich: ›Wem sieht der Bursche ähnlich?‹ Plötzlich wußte ich es. Er sah wie ein Harlekin aus. Sein Anzug war aus irgendwelchem Zeug, vermutlich ungebleichter Leinwand gemacht, doch übersät mit Flicken, mit bunten Flicken, blauen, roten und gelben – Flicken hinten, Flicken vorne, Flicken an den Ellenbogen, an den Knien; bunte Säume rings um die Jacke, purpurroter Besatz am Hosenboden; und in der Sonne wirkte er außerordentlich lustig und zugleich wunderbar ordentlich, denn man sah wohl, wie schön die Flickarbeit ausgeführt worden war. Ein bartloses, knabenhaftes Gesicht, sehr blond, keine ausgeprägten Züge; die Nase schälte sich; kleine, blaue Augen; Lächeln und Stirnerunzeln, die einander über dieses offene Antlitz jagten wie Sonnenschein und Schatten auf einer windgepeitschten Ebene. ›Achtung, Herr Kapitän!‹ rief er; ›letzte Nacht hat sich hier ein Baumstamm festgerammt.‹ Was! Noch ein Baumstamm? Ich muß gestehen, ich fluchte schändlich. Beinahe hätte ich zu guter Letzt noch ein Loch in meinen Krüppel gerissen, um dieser reizenden Fahrt auch einen würdigen Abschluß zu geben. Der Harlekin am Ufer wandte mir seine kleine Stupsnase zu. ›Sind Sie Engländer?‹ fragte er mit breitem Lächeln. ›Sind Sie etwa einer?‹ rief ich vom Ruder aus. Das Lächeln verschwand, und er schüttelte den Kopf, als bedaure er meine Enttäuschung. Dann strahlte er wieder. ›Macht nichts!‹ rief er aufmunternd. ›Kommen wir noch rechtzeitig?‹ fragte ich.
      ›Er ist dort oben‹, antwortete er, wies mit einer Kopfbewegung nach dem Hügel und wurde unversehens düster. Sein Gesicht war wie ein Herbsthimmel, einmal umwölkt und im nächsten Augenblick wieder strahlend.
      Als der Direktor, begleitet von den Pilgern – alle bis zu den Zähnen bewaffnet –, zum Haus gegangen war, kam dieser Bursche an Bord. ›Sagen Sie, das gefällt mir gar nicht – im Busch diese Eingeborenen‹, fing ich an. Er versicherte mir ernstlich, damit habe es nichts auf sich. ›Das sind einfältige Leute‹, fügte er hinzu; ›nun, ich bin froh, daß Sie gekommen sind. Ich hatte unentwegt zu tun, sie abzuwehren.‹
      ›Aber Sie sagten doch, es habe nichts auf sich mit ihnen‹, rief ich. ›Oh, sie führen nichts Böses im Schilde‹, sagte er; und als ich ihn anstarrte, korrigierte er sich: ›Nicht eigentlich.‹ Dann sagte er mit Lebhaftigkeit: ›Meiner Treu, Ihr Ruderhaus müßte mal gründlich gesäubert werden!‹ Im nächsten Atemzug riet er mir, genügend Dampf im Kessel zu halten, damit ich notfalls die Pfeife ertönen lassen könnte. ›Ein kräftiger Heulton richtet mehr aus als all eure Gewehre. Sie sind einfältige Leute‹, wiederholte er. Er plapperte mit großer Geschwindigkeit weiter, redete mich nachgerade in Grund und Boden. Er schien eine Menge Schweigen wettmachen zu wollen und bemerkte tatsächlich lachend, dies sei der Fall. ›Sprechen Sie denn nicht mit Herrn Kurtz?‹ fragte ich. ›Man spricht nicht mit diesem Mann – man hört ihm zu‹, rief er mit starker Begeisterung. ›Doch jetzt …‹ Er machte eine Armbewegung und befand sich unversehens auf dem Grund tiefster Niedergeschlagenheit. Dann war er sogleich wieder obenauf, ergriff meine beiden Hände und schüttelte sie unentwegt, während er weiterschnatterte: ›Seemannsbruder … Ehre … Annehmlichkeit … Freude … darf mich vorstellen … Russe … Sohn eines Erzpriesters … Gouvernement Tambov … Wie? Tabak! Englischer Tabak; der ausgezeichnete englische Tabak! Nein, das ist wirklich brüderlich, Rauchen? Wo gibt es
    einen Seemann, der nicht raucht?‹
      Die Pfeife beruhigte ihn, und nach und nach reimte ich mir zusammen, daß er aus der Schule fortgelaufen, auf einem russischen Schiff zur See gegangen,

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