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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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zu uns. Wir wechselten träge ein paar Worte. Dann trat Stille ein an Bord der Jacht. Aus dem einen oder anderen Grund begannen wir nicht mit dem Dominospiel. Wir waren in besinnlicher Stimmung und zu nichts anderem fähig, als zu friedlichem Vor-unsHinschauen. Der Tag ging in einer Klarheit stillen und köstlichen Strahlenglanzes zu Ende. Das Wasser schimmerte friedlich; der Himmel, ohne ein Wölkchen, war eine wohltuende Unermeßlichkeit reinen Lichts; sogar der Dunst der Essex-Marschen war wie ein duftiges und glänzendes Gewebe, das von den waldigen Höhen des Binnenlandes herabhing und die flache Küste in durchsichtige Falten hüllte. Nur die Düsternis des Westens, die über dem oberen Flußlauf brütete, wurde von Minute zu Minute dunkler, gleichsam als sei sie erzürnt über das Näherkommen der Sonne.
      Und schließlich sank die Sonne auf ihrer gebogenen und unwahrnehmbaren Fallinie hinab und wechselte von gleißendem Weiß zu einem trüben Rot ohne Glanz und ohne Hitze über, als sei sie im Begriff zu erlöschen, todwund durch die Berührung mit jener über einer
    Menschenmasse lastenden Düsternis.
      Allsogleich kam eine Veränderung über das Wasser, und die heitere Klarheit wurde weniger leuchtend, dafür aber tiefer.
      Der alte Fluß in seiner breiten Mündungsstrecke blieb ungerührt vom Erlöschen des Tages, nach all den Jahrhunderten guter Dienste, die er den Menschen an seinen Ufern geleistet hatte, und breitete sich aus in der stillen Würde einer Wasserstraße, die zu den entferntesten Enden der Welt führt. So sahen auch wir den ehrwürdigen Strom nicht im zuckenden Flackerschein eines kurzen Tages, der heraufzieht und dann für alle Zeiten entschwindet, sondern im erhabenen Licht bleibender Erinnerungen. Und freilich ist einem Mann, der, wie es wohl heißt, Seemann war mit Leib und Seele, nichts leichter, als auf dem Unterlauf der Themse den großen Geist der Vergangenheit zu beschwören. Der Gezeitenstrom wechselt hin und her in unaufhörlicher Dienstbarkeit, beladen mit Erinnerungen an Menschen und Schiffe, die er zur Ruhe in die Heimat oder zum Getümmel der Seeschlachten hinausgetragen hat.
      Alle Männer, auf die die Nation stolz ist, hat er gekannt, und allen gedient, von Sir Francis Drake bis zu Sir John Franklin – Rittern allesamt, betitelten und unbetitelten – den großen fahrenden Rittern des Meeres. All die Schiffe hat er getragen, deren Namen wie Juwelen aufleuchten in der Nacht der Zeiten, von der Golden Hind, die zurückkehrte – die bauchigen Schiffswände voller Schätze –, um von Ihrer Majestät der Königin besucht zu werden und auf diese Weise eine grandiose Geschichte abzuschließen, bis zur E rebos und Terror, die zu anderen Eroberungen auszogen – und die nie zurückkehrten. Er hat die Schiffe und die Männer gekannt. Sie waren von Deptford, von Greenwich, von Erith aus in See gegangen – die Abenteurer und Siedler; königliche Schiffe und Schiffe der Handelsleute; Kapitäne, Admirale, die finsteren ›Schleichhändler‹ des Ostens und die bestallten ›Generäle‹ der Flotten der East India Company. Goldsucher oder solche, die dem Ruhm nachjagten, sie alle waren auf diesem Strom hinausgefahren, das Schwert in der Hand und oft die Fackel, Boten der Stärke dieses Landes, Bringer eines Funkens vom heiligen Feuer. Welche Größe trieb nicht mit der Ebbe jenes Flusses in das Rätsel einer unbekannten Welt hinaus! … Die Träume der Menschen, der Same von Nationen, der Keim zu Weltreichen.
      Die Sonne ging unter; die Abenddämmerung brach über den Strom herein, und die Küste entlang begannen die Lichter aufzublinken. Der Leuchtturm von Chapman, der mit seinen drei Beinen im flachen Schlick stand, warf sein starkes Licht über das Wasser. Die Lampen der Schiffe bewegten sich im Fahrwasser – ein Gewimmel stromaufwärts und -abwärts wandernder Lichter. Und weiter im Westen, stromaufwärts, zeichnete sich der Ort der Riesenstadt noch immer dräuend gegen den Himmel ab, eine brütende Düsternis im Sonnenschein, ein gespenstischer Glanz unter den Sternen.
      »Und auch dies«, sagte Marlow unvermittelt, »ist einer der dunklen Plätze der Erde gewesen.«
      Er war der einzige unter uns, der noch immer zur See fuhr. Das schlimmste, das sich von ihm sagen ließ, war, daß er nicht seinen Stand repräsentierte. Er war ein Seemann, doch er war auch ein Wanderer, während die meisten Seeleute, wenn man so sagen darf, ein seßhaftes Leben führen. Ihr

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