Untitled
Eisfeld empor. Niemand weiß, wie tief sie sind. Vielleicht ist dort das Gericht der Mutter des Eises, vielleicht ist es der Bestandteil einer Legende … Wie dem auch sei, Arflane, der Beweis, von dem ich spreche, ist in New York.«
Arflane war bestürzt und fragte sich, ob der alte Mann noch Fieber habe.
Rorsefne schien seine Gedanken zu erraten. »Ich bin ganz normal, Kapitän«, sagte er lachend. Er tippte auf das Kartenetui. »Da ist alles drin. Mit einem guten Segler kann man New York erreichen und sich von der Wahrheit überzeugen.« Arflane nahm wieder Platz. »Auf welche Weise wurde das Schiff zerstört?«
Rorsefne seufzte. »Eine Serie von Mißgeschicken. Eisklippen, Brüche, Landwalangriffe und Angriffe der Barbaren. Auf dem Kurs zum großen Nordplateau fiel das Schiff auseinander. Die meisten kamen dabei ums Leben. Wir Überlebende machten uns zu Fuß in Richtung Friesgalt auf, in der Hoffnung, einem Schiff zu begegnen. Aber wir sahen keins. Nur ich kam schließlich mit dem Leben davon.« »Dann war Pech die Ursache?«
»Im wesentlichen. Einem besseren Schiff hätte das nichts
ausgemacht.«
»Sie kennen die Lage dieser Stadt?«
»Ich habe sogar den ganzen Kurs festgelegt.«
»Und woher kannten Sie die Richtung, in der Sie fuhren?«
»Das war kein Problem. Ich habe die alten Bücher gelesen und mich nach den Angaben gerichtet.«
»Und jetzt wollen Sie eine Flotte ausfahren lassen?«
»Nein.« Rorsefne sank in die Fellkissen zurück. »Das würde auf einer so langen Reise nur hinderlich sein. Vor der ersten Fahrt habe ich niemandem das Ziel der Reise verraten. So etwas hätte die Stabilität unserer ganzen Gesellschaft gefährden können. Ich glaube, es ist besser, vorerst abzuwarten, bis ein Schiff in New York gewesen ist und das Geheimnis gelüftet hat. Ich habe die Absicht, die Ice Spirit auf diese Reise zu schicken.« »Das beste Schiff der acht Städte«, sagte Arflane.
»Es heißt, daß ein Schiff so gut ist wie sein Kapitän«, mur
melte Rorsefne. Das Sprechen schien ihn zu ermüden. »Und ich kenne keinen besseren Kapitän als Sie, Arflane. Ich vertraue Ihnen.«
Arflane lehnte nicht spontan ab. Er war schon halb auf den Vorschlag eingegangen, aber er war nicht sicher, ob Rorsefne auch normal war. Vielleicht war er irgendeiner Täuschung zum Opfer gefallen und hatte eine Bergkette gesehen, die von weitem Ähnlichkeit mit den Türmen einer Stadt hatte. Doch der Gedanke an New York und die Entdeckung des sagenhaften Palastes der Mutter des Eises schürte seine Phantasie. Immerhin hielt ihn nichts auf dem Plateau zurück. Die Suche war fast heiliger Natur. Nach Norden zur Heimat der Mutter des Eises zu segeln – wie die Abenteurer eisgrauer Vorzeiten, die auch viele Monate lang unterwegs waren. Der Wunsch, nach einem Wissen zu suchen, das die Welt verändern konnte, entsprang seiner im Prinzip romantischen Natur. Und was am allerwichtigsten war: Er konnte das beste Schiff der Welt kommandieren, unbekannte Eisbezirke und neue Rassen entdecken, wenn Rorsefnes Hinweis auf die ›Barbaren‹ der Wahrheit entsprach. New York, die legendäre Stadt, deren hohe Türme aus dem glatten Eis ragten … Und wenn es doch nicht existierte? Er würde weiter und weiter segeln, weiter und weiter nach Norden, während sich alles nach Süden bewegte. Rorsefne hatte die Augen halb geschlossen. Arflane stand zum zweitenmal auf.
»Ich habe mich – entgegen meines besseren Wissens – bereit erklärt, eine Jacht zu kommandieren, mit der sich Ihre Familienangehörigen heute an einer Waljagd beteiligen wollen.« Rorsefne lächelte müde. »Ulricas Idee?«
»Manfreds Idee. Es ist ihm gelungen, Lord Janek Ulsenn, Ihre Tochter und mich für diesen Plan zu gewinnen. Ihre Tochter unterstützte Manfred. Als Oberhaupt der Familie sollten Sie –« »Das ist nicht Ihre Angelegenheit, Kapitän. Ich weiß, daß Sie es gut meinen, aber Manfred und Ulrica wissen, was sie tun.« Rorsefne lachte. »Ich frage mich, was Janek von der Notwendigkeit dieses Unternehmens überzeugt hat. Nun, das soll mir gleichgültig sein. Und Sie werden die Jacht kommandieren?« »Ich habe zugesagt, obwohl ich nicht weiß, warum. Ich tue hier überhaupt viele Dinge, die ich sonst nirgendwo getan haben würde. Ich bin allerdings auch in einer verdrießlichen Lage, Lord Rorsefne.«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Arflane. Sie haben sich nur unserer Denkweise und Lebensart noch nicht angepaßt.« »Ihr Neffe gibt mir Rätsel auf. Er scheint ein
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