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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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pendelten. Arflane konnte nichts riechen.
    »Wissen Sie, was das zu bedeuten hat?« fragte er Urquart.
    Urquart grunzte etwas und rieb sich das Kinn. Als das Schiff dieser Quelle des rötlichen Lichts näher kam, stellte auch Arflane eine gewisse Geruchsveränderung der Luft fest, konnte es aber nicht definieren.
    Wortlos verließ Urquart die Brücke, ging nach vorn und wiegte seine Harpune in der rechten Hand. Er machte einen ungewöhnlich nervösen Eindruck.
    Eine Stunde später füllte dieser Lichtschein den halben Horizont aus und färbte das Eis blutrot. Es war ein bizarrer Anblick; der Geruch war wesentlich stärker geworden, ein scharfer, feuchter Geruch, der Arflane völlig unbekannt war. Auch er begann sich jetzt Sorgen zu machen. Die Luft schien wärmer zu sein, und das ganze Deck war von diesem rötlichen Licht überflutet. Das Gesicht des Steuermanns war rot, auch die Gesichter der Männer auf Wache, die fragend zu Arflane hinaufblickten. Die Nacht verwandelte sich in Tag, obwohl der Himmel pechschwarz war.
    Hinsen trat auf das Deck hinaus, kam die Treppe herauf und stellte sich neben Arflane. »Was ist das, Sir?« Er fröstelte und benetzte seine Lippen.
    Arflane überhörte diese Frage, ging ins Steuerhaus und betrachtete die Karte. Er hatte bisher nicht das Original des alten Rorsefne, sondern nur eine Kopie benutzt. Jetzt klappte er das Original auf und betrachtete die Eintragungen im rötlichen Lichtschein des Horizonts. Hinsen blickte ihm über die Schulter. »Verdammt«, murmelte Arflane. »Da ist es, und wir haben es übersehen. Die Schrift ist so schlecht zu entziffern. Können Sie etwas sehen, Hinsen?«
    Hinsens Lippen bewegten sich, als er die winzigen Druckbuchstaben zu lesen versuchte, die Pyotr Rorsefne kurz vor seinem Tod geschrieben hatte. Dann schüttelte Hinsen den Kopf und lächelte entschuldigend. »Tut mir leid, Sir.« Arflane tippte mit zwei Fingern auf die Karte. »Dafür brauchen wir einen Gelehrten.«
    »Manfred Rorsefne, Sir? Ich denke, er ist so etwas wie ein
Gelehrter …«
»Bitte, holen Sie ihn, Hinsen.«
    Hinsen nickte und verließ das Steuerhaus. Aus dem Geruch wurde eindeutig Gestank. Arflane konnte kaum atmen, denn in der Luft war auch ein Staub, der Mund und Kehle verklebte. Das Licht voraus färbte sich jetzt gelblich und flackerte über das Eis und das schnellsegelnde Schiff. Manchmal befand sich der Schoner im Schatten, dann wieder war er hell erleuchtet. Arflane erinnerte sich an etwas, das ihn vor langer Zeit einmal erschreckt hatte. Er begann die Bedeutung der Schriftzüge des alten Rorsefne zu erraten, bevor Manfred Rorsefne, sich mit einem Finger die Augen reibend, im Steuerhaus erschien. »Es ist wie ein gewaltiges Feuer«, meinte er und blickte auf die Karte, die Arflane ihm vorlegte.
    »Können Sie die Handschrift Ihres verstorbenen Onkels besser lesen als wir?«
    Manfred furchte einen Moment die Stirn. Dann: »Das sind Feuerberge. Die alte Bezeichnung lautete ›Vulkane‹. Ja, es ist Feuer.« Er blickte Arflane aufgeregt an; seine unbekümmerte Art war verflogen.
    »Feuer …« Auch Arflane gab sich keine Mühe, seinen Schrecken zu verbergen. Das Feuer war – nach der Mythologie des Eises – der Erzfeind der Mutter des Eises. Feuer war etwas Böses. Feuer zerstörte. Es schmolz das Eis und wärmte Dinge, die natürlicherweise kalt sein mußten.
    »Wir sollten am besten die Greifanker auswerfen, Sir«, sagte Hinsen mit schwerer Stimme.
    Doch Arflane studierte die Karte. Er schüttelte langsam den Kopf. »Es wird schon alles gutgehen, Hinsen. Auf diesem Kurs kommen wir zwar zu den Feuerbergen, wenn ich mich nicht täusche. Aber wir kommen nicht nahe heran – nicht nahe genug, um uns in Gefahr zu bringen. Bis jetzt ist Rorsefnes Karte gut. Wir behalten unseren Kurs bei.« Hinsen musterte ihn nervös, sagte aber nichts.
    Manfred Rorsefne hatte seinen Schreck überwunden, und er betrachtete den hellen Horizont mit einer gewissen Neugier. »Flammende Berge … Welchen Wundern segeln wir entgegen, Kapitän!«
    »Mir wird wohler zumute sein, wenn dieses spezielle Wunder vorüber ist«, sagte Arflane mit einem Anflug von Humor. Er räusperte sich zweimal, schlug mit einer Hand auf seinen Oberschenkel und wanderte ruhelos im Steuerhaus herum. Das Gesicht des Rudergängers erregte seine Aufmerksamkeit; es war ein Spiegel der Angst. Arflane vergaß seine eigene Unruhe bei diesem Anblick und klopfte dem Rudergänger auf die Schulter. »Kopf hoch, Mann! Wenn die Karte

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