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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nanu
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Obwohl, Stemmeisen-Boy sieht so aus, als hätte er da die eine oder andere Idee.
    Nein, das stimmt nicht. Jede Obszönität, an die sie sich jetzt zu erinnern meinte, war einzig und allein ihrer angs t erfüllten Fantasie entsprungen. Die Miene des Stemmeisen-Typen war ausdruckslos gewesen.
    Ja, ja, red dir das nur weiter ein, höhnte ihr Gesicht mit dem einen, fast vollständig zugeschwollenen Auge. Und was hast du vor? Emilio die Plastikabdeckung des Spülkastens über den Kopf ziehen und ihm den Schädel einschlagen? Seine Waffe schnappen, Stemmeisen-Boy erschießen … Leichen hast du schon öfter mal gesehen, und das letzte Mal ist noch gar nicht so lange her. Aber bist du wirklich bereit zu töten? Sieh dich an. Deine Hände zittern, wenn du nur daran denkst. Oder vielleicht bekommst du die Pistole gar nicht in die Finger. Vielleicht verfehlst du seinen Kopf, und dann hat er die Waffe und erschießt dich. Vielleicht ist es ja das, was du wirklich willst, denn dann wäre es einfach vorbei. Vielleicht sehnst du dich ja nach einem Selbstmord durch Emilio …
    »Nein.« Gina stand auf, drehte den Wasserhahn auf und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser ab.
    Sie war die Überlebende, nicht das Opfer, und ganz b e stimmt würde sie nicht aufgeben. Sie würde auch das hier überleben. Sie musste nur noch rauskriegen, wie.
    »Was will Emilio in Wirklichkeit?«, ließ sich erneut Max’ Stimme vernehmen. »Manchmal wissen sie es nicht. Manchmal können sie es nicht zugeben, nicht einmal sich selbst gegenüber …«
    Gina griff nach einem Handtuch und trocknete sich das Gesicht ab. Was wolltest du eigentlich in Wirklichkeit?, hätte sie ihn gefragt, wenn er nur in Wirklichkeit vor ihr gestanden hätte. Von mir, meine ich.
    »Was wolltest du von mir}« Typisch Max, aus einer Frage sofort eine Gegenfrage zu machen.
    Ehrlichkeit, würde sie sagen.
    »Tatsächlich.«
    Was soll das denn wieder heißen? Ja, tatsächlich. Ich wollte, dass du mit mir sprichst. Wirklich mit mir sprichst. Weißt du, Max, wir kennen uns schon so viele Jahre und ich kann die Gelegenheiten, wo du mir von dir erzählt hast, von deiner Kindheit zum Beispiel, immer noch an den Fingern meiner Hände abzählen. Und selbst bei den paar Malen musste ich dir alles aus der Nase ziehen.
    Ihr eingebildeter Max lächelte sie an, so wie der echte es gelegentlich getan hatte. Als kannte er die Pointe irgendeines wahnsinnig komischen Witzes und wartete nur darauf, dass sie ebenfalls dahinterkam. »Ich bin der, der ich bin – aber anscheinend bin ich nicht der, der ich sein soll, oder?«
    »Ja, ja, schieb es ruhig auf mich«, sagte Gina jetzt ve r ärgert. »Ist alles meine Schuld, nicht wahr?«
    »Oder etwa nicht?« Er blickte sie mit seiner charakteristischen, ruhigen, ausdruckslosen Miene an. Erstaunlich. Auch wenn er nur eingebildet war, konnte er sie zur Weißglut bringen. Doch dann ließ er die Bombe platzen. »Schließlich hast du mich verlassen.«
    »Was?«, entfuhr es Gina. »Na großartig. Verschwinde. Das kannst du natürlich nur deshalb sagen, weil du gar nicht echt bist, weil du in Wirklichkeit ich bist.« Sie fantasierte ja nur, und deshalb schaltete sich ihr überentwickeltes Schuldgefühl ein.
    Ja, sie hatte ihn verlassen. Weil er sie ausgeschlossen hatte. Sie hatte ihn verlassen, weil ein vernunftbegabter Mensch nur eine gewisse Zeit lang mit dem Kopf gegen die Wand laufen konnte. Sie hatte ihn verlassen, weil sie mehr von ihm gewollt hatte.
    Nur, dass sie jetzt gerade an nichts anderes denken konnte als an die Gespräche, die sie über seine Familie geführt hatten. Seine Schwester, die – von schweren Depressionen geplagt – so oft versucht hatte, sich umzubringen, dass der Rettungswagen in ihrer Einfahrt fast schon ein alltägliches Bild gewesen war. Gott, wie schrecklich musste das Z u sammenleben gewesen sein! Seine Eltern – immer wütend, immer ängstlich, immer im Kampf. Sein überaus kluger Großvater, ein Mentor und guter Freund – nach einem ve r nichtenden Schlaganfall nicht einmal mehr in der Lage zu kommunizieren. Der Bruder seines besten Freundes – in Vietnam ums Leben gekommen. Sein eigener Bruder, der letzte noch verbliebene Verbündete, der ihm vom Alter her am nächsten, aber nie ein guter Schüler gewesen war, war am Tag seines achtzehnten Geburtstages zur Armee geflüchtet und hatte ihn in einem Haus voller Verzweiflung und Düste r keit zurückgelassen.
    Und Max? Wie war er damit zurechtgekommen? Sicherlich nicht nur

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