Untitled
völlige Schlafverweigerung, der glasige Blick, die komplette Verwandlung von einem gut gekleideten FBI-Teamleiter in einen Terroristendoppelgänger mit reifer Duftnote … Zugegeben, die Jeans und die Turnschuhe hatte Jules ausgesucht. Aber der Dreitagebart und die schmuddeligen, verfilzten Haare waren zu einhundert Prozent Max.
Sicher, ja, während der vergangenen Tage hatten sie ei n fach keine Gelegenheit gehabt, mit Wasser und Seife in B e rührung zu kommen, und die brütende Hitze war allgege n wärtig gewesen, aber trotzdem. Igitt.
Die Reise von Jakarta ins östliche Indonesien hatte aus einer endlosen Aneinanderreihung kleiner Inselhüpfer in kleinen Flugzeugen bestanden. Und jede einzelne Etappe hatte wesentlich länger gedauert, als sie alle gehofft hatten. Besonders das allerletzte Stück – eine Bootsfahrt von Kupang bis auf diese abgelegene Insel hier am Ende der Welt in völliger Dunkelheit – war unfassbar gewesen.
Und dann natürlich die Bergwanderung durch den Dschungel – ebenfalls in pechschwarzer Nacht –, die sie zu diesem konspirativen CIA-Apartment geführt hatte, das sich zufälligerweise ganz in der Nähe von Emilio Testas Anwesen befand.
Es war eine nette Eckwohnung mit Fenstern zu einem offenen, zentralen Platz hinaus, der allem Anschein nach früher einmal, in besseren Zeiten, eine Art Marktplatz g e wesen war.
In den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts musste die Insel Meda ein Touristenmekka gewesen sein. Zahlreiche Nobelherbergen und schicke Ferienhäuser waren hier zu sehen – luxuriöse Zweitwohnsitze reicher Europäer, die haufenweise Bonusmeilen zu verfliegen hatten. Doch die Nähe zu den Unruhen in Ost-Timor, die mittlerweile seit Jahrzehnten andauerten, hatte den Versprechen der Reiseve r anstalter auf einen einzigartigen und unvergesslichen Urlaub eine ganz neue Bedeutung gegeben, sodass die Reichsten der Reichen irgendwann einfach weggeblieben waren.
Die weniger gut Gestellten, die dann in all die verlassenen, eleganten Häuser gezogen waren, hatten kein Problem mit der Gewalt, die sich praktisch in ihrem Hinterhof abspielte. Es waren Menschen, deren Geschäfte sowieso nicht immer ganz legal waren. Sie fühlten sich in dieser neu entstandenen Gesetzlosigkeit nicht nur ganz wohl, sondern verliehen ihr eine völlig neue Dimension.
Der Beobachtungsposten der CIA, in dem sie sich im Augenblick aufhielten, war vor ungefähr einem Jahr ei n gerichtet worden, um einen lokalen Ganoven zu beobachten, der mit der Al-Qaida in Verbindung gebracht wurde.
Er war nur einer der vielen fröhlichen, freundlichen Menschen in Mr. Testas Nachbarschaft und wohnte nur zwei Häuser von Mr. T. persönlich entfernt.
Zufall? Das wusste nur Gott allein. Aber falls Testa ta t sächlich Verbindung zu Terroristen hatte, dann würde es Jules sehr viel leichter fallen, ja zu sagen, wenn Max ihn nach der gelungenen Gefangennahme fragte, ob er ihn erdrosseln durfte.
Im Augenblick jedoch war daran noch gar nicht zu denken. Auch wenn Max vor Ungeduld noch so sehr vibrierte, Jules war froh über diese kleine, notwendige Auszeit. Und dankbar für ein Basislager mit Dach über dem Kopf.
»Wieso machst du nicht auch mal eine kleine Pause?«, fragte Jules Max und setzte sich neben ihn ans Fenster. Sie hatten bereits festgestellt, dass Testas Haus, in dem Gina und Molly festgehalten wurden, weder eine Hintertür noch Fenster an den Seiten oder der Rückwand hatte. Es lag am anderen Ende dieses offenen Platzes, eng an die begrenzende Fel s wand geschmiegt, und verfügte nur über einen einzigen Ein- und Ausgang: die Vordertür.
Falls das tatsächlich das richtige Haus war. Falls die Informationen, die Jules’ CIA-Kontaktmann – der schlicht Benny genannt wurde – über Testa besorgt hatte, tatsächlich zutrafen.
Benny hatte das vereinbarte Treffen am Hafen in Jakarta verpasst, was Jules außerordentlich verärgert hatte, da der Agent sie eigentlich mit einer großen Auswahl diverser technischer Spielzeuge hatte versorgen sollen. Abhörgeräten. Infrarot-Gläsern. Verschiedenen Mikrofonen und Min i kameras.
Und auf einen Anruf auf seinem Handy hatte Benny auch nicht reagiert, sodass sie das Wasserflugzeug ohne jede Au s rüstung bestiegen hatten.
Was zu einer weiteren Auseinandersetzung unter den Mi t gliedern seines illustren, inoffiziellen, zu fünfzig Prozent kriminellen und zu fünfzig Prozent durchgeknallten Dream Teams geführt hatte.
Jetzt warf Max einen Blick zurück in das abgedunkelte
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