Untitled
mit Hilfe von Elvis-Filmen.
»Ich habe sehr gute Zensuren bekommen.«
Sie hatte immer gedacht, dass er ihr damit ausweichen wollte. Dass er dadurch vermeiden wollte, über seine wahren Gefühle sprechen zu müssen.
Und doch … »Du hast sehr gute Zensuren bekommen, weil die Schulnoten eines der wenigen Dinge waren, die du selbst beeinflussen konntest, stimmt’s?«, mutmaßte sie jetzt.
Fantasie-Max erwiderte gleichgültig ihren Blick. »Wenn du das so sehen willst …«
»Du hast versucht, perfekt zu sein«, sagte sie anklagend. »Aber niemand ist perfekt. Und selbst wenn du perfekt wärst, gäbe es immer noch Dinge, die du nicht beeinflussen kannst. Also scheiterst du, und das macht dich wiederum wahnsinnig, und du geißelst dich und gibst dir die Schuld – auch wenn es gar nicht deine Schuld ist.«
Sie war sein größtes Scheitern. Seine Worte. Er hatte mi t geholfen, ein ganzes Flugzeug voller Menschen zu retten, aber er hatte es nicht geschafft, sie vor diesem gewalttätigen Angriff zu schützen. Das würde er sich nie verzeihen.
Da spielte es keine Rolle, dass er die Gründe für dieses Scheitern nicht selbst in der Hand gehabt hatte. Es spielte keine Rolle, dass er aus Sicht der meisten Menschen keine s wegs gescheitert war. Gina war am Leben – wie konnte man das als Scheitern bezeichnen?
Das ergab doch keinen Sinn.
Aber das musste es auch nicht. Weil seine Reaktion nicht logisch war.
Sondern reinste Emotion.
Und sie hatte gedacht, er würde seine wahren Gefühle vor ihr verbergen, dabei hatte er sie ihr die ganze Zeit direkt unter die Nase gehalten.
Ob er nun Recht hatte oder nicht, spielte keine Rolle. Nur das, was er dachte, was er fühlte, zählte. Und also hatte er sich jedes Mal, wenn er mit Gina zusammen war, mit dem Schmerz dieses grässlichen Versagens auseinandersetzen müssen. War er dieser schrecklichen Selbstanklage ausgesetzt gewesen.
»Ich kann dir nicht geben, was du willst.« Wie oft hatte Max das zu ihr gesagt?
Und wenn er nun Recht gehabt hatte?
Wenn er ihr tatsächlich nicht das geben konnte, was sie wollte, und zwar deshalb, weil sie ihm nicht geben konnte, was er wollte – nämlich eine Chance, den Schmerz des von ihm selbst so empfundenen Versagens endlich loslassen zu können.
»Du hast mich verlassen«, wiederholte er jetzt – ihr imaginärer Freund Max, und es klang immer noch sehr a n klagend.
»Ja, schon, aber du bist mir auch nicht nachgelaufen«, sagte sie zu ihm. Zu sich selbst. Versuchte, nicht zu weinen.
Er war damals nicht zu ihr gekommen, und er würde auch jetzt nicht zu ihr kommen.
Ein leises Klopfen ließ sie aufschrecken. »Ist alles in Ordnung bei dir?« Das war Molly. Sie war endlich au f gewacht.
Gina wischte sich die Tränen aus den Augen, streckte ihre Hand mitten durch Fantasie-Max hindurch und machte die Badezimmertür auf.
Molly wirkte immer noch blass, sah aber deutlich besser aus als zuvor. Zumindest konnte sie aufrecht stehen.
»Ist bei dir alles in Ordnung?«, fragte Gina zurück.
»Immer noch ein bisschen wackelig«, gestand Molly. »Würde es dir was ausmachen, wenn ich mich schnell dusche?«
Sie war höflich genug, sich die Frage zu verkneifen, mit wem Gina da eigentlich geredet hatte. Zumal sie mit einem kurzen Blick durch das winzige Badezimmer festgestellt hatte, dass sie vollkommen alleine hier drin war.
»Natürlich nicht.« Gina holte die beinahe trockenen Kleider von der Vorhangstange. »Emilio – der Pistolero – hat uns Dosenfutter gebracht. Nach der Dusche musst du etwas essen, und dann müssen wir besprechen, wie wir am besten von hier verschwinden können.«
14
Pulau Meda, Indonesien
24. Juni 2005
Gegenwart
Jules sah, dass die Warterei Max verrückt machte. Das heißt, noch verrückter als sonst. Um ehrlich zu sein, sein Exchef litt wie ein Hund. Jules war lange genug im Geschäft, um e r kennen zu können, wenn jemand einem Nervenzusamme n bruch nahe war. Und natürlich brach Max Bhagat, ganz seinem Wesen entsprechend, nicht einfach still und leise z u sammen. Oh nein, er ließ es ordentlich krachen.
Die Tatsache, dass er mit Grady Morant über volle zwölf Runden gegangen war, war dabei nur eine von vielen wild blinkenden Warnleuchten.
Sogar Max selbst war das aufgefallen. Ich hätte beinahe die Nerven verloren, hatte er Jules gegenüber zugegeben.
Sag bloß. Ist das wahr?
Wobei das Wörtchen beinahe in diesem Zusammenhang mehr als ernsthaft in Frage gestellt werden musste.
Dazu noch die
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