Untitled
hatte sie in ihrer Hoc h zeitsnacht entdeckt, auf seinem Rücken. Das Wundmal sah immer noch zerfurcht und böse aus, obwohl die Verletzung schon so lange zurücklag.
Ein Messerstich.
Er hatte ihr erzählt, dass er sich die Narbe auf dem Weg nach Afrika zugezogen hatte. Vor Jahren.
Um genau zu sein, kurz nachdem Molly Indonesien ve r lassen hatte. Nachdem sie angeschossen und er halb to t geprügelt worden war. Nachdem sie beide ihr Leben und ihre Beziehung in einen Scherbenhaufen verwandelt hatten, weil sie einander nicht vertraut hatten.
Jones hatte ein Schiff in Richtung Osten bestiegen, in der Absicht, alles zu tun, um sie zu finden, und sie auf Knien um Verzeihung anzuflehen.
Doch Chais Männer hatten ihn aufgespürt. Sie hatten ihn entdeckt und beinahe umgebracht, und als er um sein Leben gekämpft hatte, da hatte man ihn in den Rücken gestochen.
Als er dann in Sri Lanka von jenem Frachter gekrochen war, während das Blut aus seiner Messerwunde lief, die sich später entzündet und ihn ein zweites Mal beinahe das Leben gekostet hatte, da hatte er erkannt, dass Chai nicht eher ruhen würde, bis er tot war.
Er konnte sich nicht verstecken, er konnte nur weglaufen. Und wenn er damals nach Afrika weitergefahren wäre, so hatte er ihr erzählt, dann hätte er diesem Hurensohn auch noch den direkten Weg zu Molly gezeigt und sie damit in schrec k liche Gefahr gebracht.
Und dann hatte Jones sich an Ort und Stelle geschworen, dass er diesen Fehler nie wieder begehen würde.
Molly wusste, dass seine Gedanken jetzt darum kreisten. »Du solltest nicht sterben«, sagte sie. »Hör auf mit diesen Selbstanklagen – es ist nicht deine Schuld.«
»Doch«, sagte er. »Du kannst mich nicht vom Gegenteil überzeugen. Verdammt noch mal, Mol, es kommt mir vor, als ob ich dich umgebracht hätte. So oder so. Falls du diese Tortur hier überlebst, tja, Scheiße! Dann musst du gegen den Krebs kämpfen – bloß, falls ich noch am Leben sein sollte, wo bin ich dann? Aus dem Knast kann ich dir jedenfalls kaum die Hand halten.« Seine Stimme brach. »Wenn ich nicht nach Kenia gekommen wäre, wärst du nicht schwanger geworden und könntest dich um deine Gesundheit kümmern und müsstest nicht auf diese verfluchte Brut des Satans in deinem Bauch Rücksicht nehmen!«
»Wow«, sagte sie. »Das war aber ziemlich hart.«
»Oh Gott, es tut mir leid«, flüsterte er. »Was meinst du, ob er mich gehört hat? Scheiße, wahrscheinlich ist es besser, wenn ich … Ich hätte einen lausigen Vater abgegeben …«
»Nein«, widersprach sie und ignorierte dabei bewusst die resignierte Vergangenheitsform. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Tatsache, dass Jones das Lebewesen in ihrem Bauch – ihr gemeinsames Baby – zum ersten Mal als Person angesprochen hatte. »Ich glaube, er hat noch nicht mal Ohren. Und falls doch, dann muss er an seinem Englisch noch arbeiten. Ich habe eigentlich gemeint, dass es dir selbst gegenüber hart war. Ich meine, na hör mal, wenn ich die ›ve r fluchte Brut des Satans‹ im Bauch trage, was bist dann du?«
Jones hob den Kopf und blickte sie an. »Du bist nackt«, sagte er, als hätte er das gerade erst gemerkt.
»So fängt alles an«, entgegnete Molly mit einem übe r triebenen Seufzer. »Das ist der Anfang vom Ende. Zuerst heißt es immer ›Ooh, du bist ja nackt!‹« Sie legte eine Menge Begeisterung in ihre Stimme. »Aber dann, nach ein paar Monaten Ehe, drehst du dich um und sagst: ›Was, du bist nackt? Schon wieder?‹«
Endlich lächelte er. »So habe ich es nicht gemeint. Es ist bloß … Mol, ich hab so wahnsinnige Angst.«
»Aber das bedeutet nicht, dass wir einfach aufgeben dürfen«, sagte sie mit sanfter Stimme.
Und da plötzlich geschah es. Schon wieder. Das Baby. Es bewegte sich.
Molly nahm die Hand ihres Mannes und legte sie sich auf den Bauch. »Kannst du es fühlen?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht«, hauchte er. Mit fragenden Blicken schaute er sie an, als ob der Augenkontakt ihm helfen konnte, zu fühlen, was sie fühlte.
»Es ist so ein … Flattern. Fast so, als würde etwas … in meinem Bauch herumfliegen. Als würde mein Abendessen einen kleinen Tanz veranstalten.«
»Das?«, fragte er.
Molly lächelte. »Ja. Ist das nicht wunderbar?«
»Oh Gott«, sagte er mit Tränen in den Augen. »Heiliger Gott. Das ist …«
»Unser Baby.«
»Oh Gott, das ist unglaublich.«
»In mir drin, da gibt es jemanden, der lebt, Grady. Jemanden, der nicht existieren würde, wenn du
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