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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nanu
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versteckte sich hier im Lager – in Jones’ Zelt, um genau zu sein – ein fünfzehnjähriges Mädchen namens Lucy. Anscheinend hatte Molly gestern mit Paul Jimmo verabredet, dass er sie ins nördlich gelegene Marsabit bringen sollte.
    Wozu Jimmo jetzt natürlich nicht mehr in der Lage war.
    »Wovor läuft das Mädchen denn weg?«, wollte Jones wissen. »Eine Zwangsheirat?«
    Molly und Gina wechselten einen Blick, und sein Herz wurde schwer. Was immer sie ihm sagen würden, es konnte nichts Gutes sein.
    »Weißt du, was die Abkürzung FGM bedeutet?«, sagte Molly.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.« Aber das würde sich bald ändern.
    »Female Genital Mutilation«, sagte Gina. »Weibliche Genitalverstümmelung. Oder, etwas weniger blumig au s gedrückt: Klitorisbeschneidung.«
    Oh Scheiße. »Okay, ja«, sagte Jones. »Was das ist, weiß ich.« Ein Initiationsritual für junge Frauen, und es war genau so schrecklich, wie es sich anhörte. Der medizinische Fac h ausdruck lautete Klitoridektomie. Doch in aller Regel wurde der Eingriff weder von medizinischem Fachpersonal noch mit geeigneten Werkzeugen durchgeführt, sondern mit Messern oder Glasscherben, die alles andere als steril waren. Die bloße Vorstellung ließ ihn schaudern.
    »Ich habe auch mal gedacht, ich wüsste, was das ist«, sagte Gina. »Bis ich hierher gekommen bin.«
    »Es ist ein Reinigungsritual«, erläuterte Molly. »In b e stimmten Kulturen gelten die weiblichen Geschlechtsorgane als unrein, und sie glauben, dass der Kontakt mit einer unb e schnittenen Frau für Männer gefährlich werden kann.«
    Jones lachte ungläubig. »So etwa: ›Pass auf, gleich berühre ich dich mit meinen unreinen Körperteilen!‹ Und dann rennen die Männer schreiend weg?«
    Er entstammte einer sehr andersartigen Kultur.
    »Die Beschneidung bildet nur einen Teil des gesamten Prozesses«, klärte Molly ihn auf. »Bei manchen Stämmen wird dann auch noch eine Infibulation durchgeführt.«
    »Dabei wird das, was noch übrig ist, zusammengenäht, damit das Mädchen, wenn die Wunde verheilt ist, praktisch mit einer Narbe verschlossen ist, bis auf ein winzig kleines Loch, vielleicht so groß wie ein Nadelstich«, sagte Gina. »Es ist im Grunde so etwas wie ein körpereigener Keuschheit s gürtel – ein großartiges Verfahren, um all die Mädchen und Frauen bei der Stange zu halten, hmm? Wenn das Abhande n kommen ihrer Klitoris sie schon nicht daran hindern kann, aus der Reihe zu tanzen, dann garantiert die Tatsache, dass keine Penetration möglich ist.«
    »Und das ist noch lange nicht alles.« Molly genoss es zu sehen, wie er bleich wurde. »Wenn sie heiraten, dann muss der Bräutigam in der Hochzeitsnacht das vernarbte Gewebe aufschneiden oder aufreißen, damit …«
    »Ja, ja«, sagte Jones. »Ich hab’s kapiert.« Okay, dann würde er auch schreiend weglaufen.
    »Das heißt natürlich, falls sie das Initiationsritual übe r leben«, ergänzte Gina. »Narari hat es nicht überlebt.«
    Narari, das war doch … oh, verdammt, die Mädchen, die immer noch im Krankenhaus waren …?
    Die waren doch höchstens dreizehn. Er blickte Molly an, und sie nickte.
    »Es gibt ein neues Gesetz in Kenia«, erläuterte Molly.
    »Angeblich ist die Beschneidung von Mädchen unter sechzehn jetzt generell verboten. Und danach müssen sie sich mit der Durchführung der Prozedur einverstanden erklären.«
    »Aber hier, in diesem Teil der Welt, gibt es keine b e sonders starke Girl-Power-Bewegung«, fügte Gina hinzu. »Ein unbeschnittenes Mädchen kann seine Unschuld nicht beweisen, also wollen die Männer es nicht heiraten. Und das heißt, dass ihre Familie keinen Brautpreis bekommt. Das Mädchen kann sich dagegen wehren, sicher, aber wenn die Familie, die es ernährt und ihm ein Dach über dem Kopf bietet, dafür ist …«
    »Dieses Mädchen, Lucy«, sagte Molly, »es hat nein g e sagt.«
    Jones nickte. »Okay. Paul Jimmo liegt auf der Intensi v station. Wie kriegen wir sie also nach Marsabit?«
     
    Sheffield Physical Rehab Center, McLean, Virginia
    9. Januar 2004
    Vor siebzehn Monaten
     
    Endlich kam Ajays älterer Bruder doch noch zu Besuch.
    Nachdem er um Weihnachten und Neujahr auffallend a b wesend gewesen war, tauchte er jetzt einfach auf, spazierte ohne vorherige Ankündigung in den Aufenthaltsraum, wo Ajay und Max ihre ewige Rommé-Partie fortsetzten, während sie auf Gina warteten.
    »Yo, Jay-man …«
    Ajay blickte auf. Blinzelte. »Hey, wow, Ricky.« Der Junge zeigte

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