Untitled
Paris planten.
«Wir bleiben vierzehn Tage», sagte Rosamund Harwell, «wir wollen ein bißchen einkaufen. Und uns amüsieren, natürlich.»
«War der Schnee gut in Chamonix?»
«Ja, der schon, aber so ein schreckliches Getümmel im ganzen Ort!»
Der Blick, mit dem sie ihren Mann bedachte, konnte ihn wohl aus jedem Getümmel herauslösen und mit ihr allein auf eine Insel der Verzückung tragen. Monsieur Daumier hatte den Eindruck, daß selbst dieser unspektakuläre Wortwechsel mit zwei Gentlemen fortgeschrittenen Alters in einem Speisesaal die Geduld von Laurence Harwell auf eine harte Probe stellte. Er schätzte den Gatten auf etwa dreißig und seine Frau mindestens fünf Jahre jünger. Mr. Delagardie zog die Unterhaltung durch ein paar weitere unwichtige Erkundigungen in die Länge – womöglich absichtsvoll, um seinem Freund die Möglichkeit zu geben, die romantischen Engländer aus der Nähe begutachten zu können. Sie wurden abgelenkt, als der Neffe von Mr. Delagardie, inzwischen vom Telefonieren zurückgekehrt, mit seiner Frau an ihren Tisch trat.
« Vous voilà, mes enfants », begrüßte Mr. Delagardie nachsichtig die beiden. «Ich hoffe, ihr habt gut gegessen. Peter, ich glaube doch, du kennst Mrs. und Mr. Harwell?»
«Nur dem Namen nach.»
«Dann darf ich euch bekanntmachen. Mein Neffe, Lord Peter Wimsey, und meine Nichte Harriet. Und das ist mein Freund, Monsieur Daumier. Was für ein Zufall, daß wir alle im selben Hotel wohnen, ohne uns abgesprochen zu haben, wie Figuren aus einer Gesellschaftskomödie!»
«So ein großer Zufall nun auch wieder nicht», meinte Wimsey, «wenn du in Betracht ziehst, daß die Küche hier momentan die beste in Paris ist. Was die Komödie angeht, so fürchte ich, sie wird den dritten Akt nicht erreichen: Wir fahren morgen wieder nach London. Wir waren nur ein, zwei Tage auf einer Stippvisite hier – kleiner Tapetenwechsel, du verstehst.»
«Ja», sagte sein Onkel. «Ich habe in der Zeitung gelesen, daß die Hinrichtung jetzt stattgefunden hat. Die ganze Sache muß sehr aufreibend für euch beide gewesen sein.»
Seine schlauen alten Augen wechselten schnell vom einen Gesicht zum anderen.
Wimsey antwortete in neutralem Ton: «Ja, sehr unerfreulich.»
Der ganze Mann war eigentlich neutral und farblos, dachte Monsieur Daumier: Haare, Teint und die flache, ausdruckslose Stimme mit der abgehackten Sprechweise des Privatschulabsolventen.
Wimsey wandte sich an Mrs. Harwell und sagte höflich: «Ohne Zweifel werden wir das Vergnügen haben, Sie bald in London wiederzusehen.»
«Ich hoffe es», erwiderte Mrs. Harwell.
Mr. Delagardie drehte sich zu seiner Nichte: «Also seid ihr
am Audley Square anzutreffen, wenn ich zurückkomme, nehme ich an?»
Monsieur Daumier war ein wenig neugierig auf ihre Antwort. Im Lichte ihrer Vergangenheit mußte man das Gesicht dieser Frau doch interessant nennen: dunkel, resolut, zu entschieden für seinen Geschmack, was Gesichtszüge und Ausdruck anging, intelligent, mit einer Andeutung von Eigensinn um den Mund und die starken geraden Augenbrauen herum. Sie hatte etwas abseits gestanden, still und, wie er mit Anerkennung bemerkte, ohne albernes Getue. Er wartete begierig darauf, sie sprechen zu hören, obwohl er sonst die schrillen Kadenzen der gebildeten Engländerinnen nicht goutierte.
Als die Stimme dann erklang, war er überrascht, sie war dunkel und voll, mit einem Timbre, das Rosamund Harwells goldene Glöckchen wie eine Spieluhr klingen ließ.
«Ja, wir können uns jetzt hoffentlich in Ruhe einrichten. Ich habe das Haus noch gar nicht richtig gesehen, seit es fertig ist. Die Herzogin hat sich ganz reizend darum gekümmert. Es wird uns eine Freude sein, dir alles zu zeigen.»
«Meine Mutter war ganz in ihrem Element», erzählte Wimsey. «Eine Generation später geboren, wäre sie mit Sicherheit eine professionelle Innenarchitektin geworden und hätte als berufstätige Frau auf eigenen Füßen gestanden. Was in der Folge wiederum vermutlich die Existenz meiner eigenen Person verhindert hätte. Solche Zufälligkeiten in der Chronologie der Ereignisse halten die angeborene Eitelkeit ganz schön in Schach.»
«Wir sind auch ganz begeistert», sagte Mrs. Harwell.
«Wir haben gerade eine neue Wohnung in Hyde House bezogen. Wenn wir wieder in London sind, geben wir gleich eine Party, nicht wahr, Darling?»
Ihr Lächeln umhüllte ihren Ehemann, um dann mit charmanter Freundlichkeit an Mr. Delagardie weitergegeben zu werden, der
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