Untitled
die Hand jenes von mir erwähnten ehrenwerthen Mannes steckt, dessen Name Don Calogero (»Lollò«) Longhitano ist, ein Commendatore (!).
Ich habe nämlich erfahren, daß in diesen Tagen der Longhitano aus einem der Grundstückseigner, Filippo Mancuso, einen zustimmenden (vorher ablehnenden) Brief für die Errichtung der Masten auf dem ihm gehörenden Gelände erpreßt hat. Gleichzeitig hat der Longhitano es bewerkstelligt, daß die Firma Sparapiano von ihrem ursprünglichen Plan abläßt, den Genuardi nicht mehr länger mit Holz zu beliefern.
Dies hat mir noch mehr Sorgen gemacht. Es handelt sich dabei nämlich nicht, wie jemand, der mit den Systemen der Mafia nicht vertraut ist, glauben könnte, um Zeichen für einen Friedensschluß seitens des Longhitano. Ganz im Gegentheile. Er wirkt auf den Willen des Genuardi auf die gleiche Weise ein wie die Bauern, wenn sie einen störrischen Esel vorantreiben wollen: mit Karotte und Peitsche.
Die Frage, die ich mir stelle, ist folgende: Auf welchen Weg will Longhitano den Genuardi bringen? Und wird er, im Falle, daß er auf beharrliche Weigerung stößt, die Peitsche so lange benutzen, bis der Genuardi umgebracht ist?
Unterdessen kann ich Ihnen vorab bereits mittheilen, was Sie in dem Bericht meines Kollegen Battiato aus Palermo in allen Einzelheiten nachlesen können: Während der Zeit seines Aufenthaltes in der Pension in der Via Tamburello hat der Genuardi lediglich zweimal Besuch erhalten. Den ersten, von etwas über einer Stunde Dauer, von eben diesem Longhitano, den zweiten, von über vierstündiger Dauer, von der jungen Gattin seines Schwiegervaters. Nach diesem letzten Besuche ist er spurlos verschwunden, wodurch er der vom Präfekten von Montelusa angeordneten Verhaftung entging.
Irgend etwas geschieht: Entweder hat der Genuardi sich auf den von Longhitano gewollten Weg begeben, oder er ist geflohen, um diesem nicht zu gehorchen, und folgte damit einem Vorschlag seines Schwiegervaters, welcher ihm durch die Gattin, Signora Lillina, übermittelt worden war.
Ich kann die Kollegen in Palermo in keiner Weise um größere Mitarbeit bitten: Sie sind im Augenblick viel zu sehr mit der Erfassung der Politischen und der Vernachlässigung der Mafiosen beschäftigt. Entschuldigen Sie, wenn ich vor Wuth schnaube. Jedenfalls, um damit noch einmal auf den Brief des Präfekten zurückzukommen, theile ich Ihnen mit, daß ich, wofern Sie es für angebracht halten, bereit bin, meinen Rücktritt vom Amte einzureichen.
Ihr Ihnen aufrichtigst ergebener
Antonio Spinoso
»LA GAZZETTA DI PALERMO«
Tagblatt
Hg. G. Romano Taibbi 9. Mai 1892
MORDVERSUCH MIT UNFALL
Als Signor Rosario La Ferlita gestern seine Wohnung in der Via Oreto Nr. 75 verließ, flüch‐ tete er plötzlich, weil er jeman‐ den gesehen hatte, der ihm in der Nähe des Portales auflau‐ erte. Thatsächlich feuerte diese Person, als sie den La Ferlita bemerkt hatte, einen Schuß aus einer Feuerwaffe auf diesen ab, welcher das Opfer in die linke Wade traf. Der Knall scheute ein Pferd auf, das an einen mit Obst beladenen Karren gebun‐ den war. In seinem erschreck‐ ten Galopp begrub das Thier mit seinem Karren den La Fer‐ lita unter sich.
Auf der Stelle wurde der Pistolenschütze von
Signor Signorello Angelo, einem Ge‐ fängnisaufseher, der gerade vorbeikam, festgenommen und ins Gefängnis geführt. Bei dem Schützen handelt es sich um den Genuardi Filippo, 32 Jahre,
wohnhaft in Vigàta (Monte‐ lusa). Zu dem Ereignis wollte er sich nicht äußern, vielmehr vergrub er sich in tiefstes Schweigen.
Sonderbares Detail: Genuardi war im Besitze eines zeitlich befristeten Waffenscheines, welcher von der zuständigen Behörde am 8. d. M. ausgestellt worden war, fast so, als habe Genuardi gewartet, daß er dem Gesetz Genüge thue, bevor er den versuchten Mord beging!
Der La Ferlita wurde ins Hospital »Beata Vergine« ein‐ geliefert. Außer an seiner Ver‐ wundung am linken Bein leidet er an zahlreichen Knochenbrü‐ chen und an einer Gehirner‐ schütterung, was auf den Kar‐ ren zurückzuführen ist, der ihn unter sich begraben hatte.
Die Polizei ermittelt.
»LA GAZZETTA DI PALERMO«
Tagblatt
Hg. G. Romano Taibbi 10. Mai 1892
NEUE ANSCHULDIGUNGEN GEGEN GENUARDI
Filippo Genuardi, 32 Jahre, aus Vigàta, hat im Gefängnis Ucciar‐ done, wo er sich wegen ver‐ suchten Mordes an Rosario La Ferlita befindet,
Weitere Kostenlose Bücher