Untitled
Beharrens seitens des Licalzi und des Carabiniere Trombatore Anastasio, welcher bei dem Unternehmen seines Vorgesetzten und Freundes Licalzi mitmachen wollte, blieb ich bei meiner ersten Ablehnung. Doch das Rundschreiben des Generaldirektors der Polizei, welches, die Schwere der Lage deutlich machend, zum Handeln aufrief, zerstreute alle meine Bedenken. Der kühne Plan, welcher mit Vorsicht und Diskretion umgesetzt wurde, hat das erhoffte glänzende Ergebnis erbracht: die Kenntnis der Adresse des Genuardi.
3. Nachdem wir erfahren hatten, daß der Genuardi in einer Pension in der Via Tamburello in Palermo wohnt, haben wir pflichtgemäß das dortige Kommando der Königlichen Carabinieri in Kenntnis gesetzt, welches unverzüglich die ständige Überwachung der im Betreff genannten Person verfügte.
4. Teuflischerweise muß es dem Genuardi gelungen sein, sich der unablässigen Überwachung durch Flucht zu entziehen (die Tagesberichte der Kgl. Carabinieri von Palermo deuten auf keinerlei verdächtige Bewegungen des Genuardi hin), anders läßt sich seine Teilnahme an den Vorbereitungstreffen und an der Gründungskundgebung der »Arbeiterbünde« nicht erklären, wie man aus dem Rundschreiben des Generaldirektors der Polizei und aus dem nachfolgenden Bericht des Polizeipräsidenten von Palermo ersehen kann.
Das Obenstehende haben wir E. E. nicht aus eitler Prahlerei um unsere Verdienste zur Kenntnis gebracht, denn unser Motto ist ja »Schweigend gehorchen und schweigend sterben«, sondern um über die weiteren Maßnahmen unterrichtet zu werden, welche gegen den Genuardi eingeleitet werden sollen, sobald er wieder nach Vigàta zurückkehrt.
Sich allein auf die wie auch immer aufmerksame Überwachung eines Individuums wie des Genuardi zu beschränken, welcher sich durch große Fähigkeit des Abtauchens (bisweilen scheint er mit der Gabe der Ubiquität ausgestattet zu sein) und durch offenkundige soziale Gefährlichkeit auszeichnet, scheint uns, und E. E. möge uns die Kühnheit verzeihen, eine absolut unangemessene und unzureichende Maßnahme, zumal es dabei auch noch um das einzigartige Verhalten des Leiters der Polizeidienststelle von Vigàta, Antonio Spinoso, geht, welcher in einer Weise handelt, die nicht nur als zögerlich, sondern als ausgesprochen feindselig im Hinblick auf unsere Ermittlungen bezüglich des Genuardi zu bezeichnen ist. Und dabei handelt es sich nicht etwa um stillschweigende Duldung, sondern um unaufmerksame Stumpfsinnigkeit.
Womöglich wäre, im Falle des Genuardi, eine Hausarrestverfügung mehr als angemessen.
Ergebenst
Der Kommandant des Kommandos
der Kgl. Carabinieri
(Tenente Ilario Lanza‐Scocca)
KÖNIGLICHE PRÄFEKTUR VON MONTELUSA DER PRÄFEKT
An den
Hohen Offizier
Arrigo Monterchi
Polizeipräsident von Montelusa
Montelusa, am 6. Mai 1892
Herr Polizeipräsident,
mit diesem Schreiben theile ich Ihnen mit, daß eine allseitige Besserung meiner Gesundheit, welche durch einen Sturz, über den Sie gewißlich in allen Einzelheiten unterrichtet wurden, erheblich eingeschränkt war, es mir erlaubt hat, die Zügel der Präfektur wieder fest in die Hand zu nehmen. Und zwar schon seit einigen Tagen. Außerdem will ich Sie davon in Kenntnis setzen, daß mein ehemaliger Kabinettschef, Parrinello Corrado, auf mein dringliches Ersuchen hin zur Präfektur von Sassari (Sardinien) versetzt wurde, wo er die Aufgaben eines Hauptarchivars wahrnimmt. Das Verhalten dieses niederträchtigen Individuums gegenüber meiner Person kann man nur als unwürdig und unflätig bezeichnen. Meinen vorübergehenden, auf die harten Proben des Lebens zurückzuführenden Zustand der Verwirrung ausnützend, hatte er es systematisch darauf angelegt, mich nicht über Vorkommnisse zu unterrichten, welche mein sofortiges Einschreiten verlangt hätten. Nicht zufrieden damit, setzte er den gerechtfertigten Vorhaltungen der Bittsteller die Verschlechterung meines Gesundheitszustandes entgegen, womit er mich vor den Augen aller zu einem Stück Schrott, zu einer Belastung für die Präfektur herabwürdigte. Ich brauche mich hier nicht weiter über die Vergehen des Parrinello auszulassen, über welche Sie zudem ja bestens im Bilde sein müßten.
Ich setze Sie davon in Kenntnis, daß ich mit dem gestrigen Tage Dottor Giacomo La Ferlita zu meinem Kabinettschef ernannt habe, einen loyalen und großzügigen Mann, der mir die zu meinem Nachtheile ersonnenen Mauscheleien und Kungeleien des Parrinello
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