Untitled
hypnotisieren, weil Ihr Anwalt glaubt, das könne zu Ihrer Verteidigung beitragen. Sie haben mir gesagt, Sie wollen diese Hilfe. Ist das korrekt?«
»Ja«, sagte Gary. »Ich will die Wahrheit sagen … Ich will selbst die Wahrheit wissen.«
»Gut, dann zählen Sie jetzt von hundert rückwärts. Wir haben das schon einmal gemacht. Werden Sie bei jeder Zahl entspannter. Sie können anfangen.«
Gary Murphy zählte rückwärts.
»Ihre Augen schließen sich. Sie fühlen sich jetzt viel entspannter … wie im Schlaf … atmen tief«, sagte ich mit einer Stimme, die immer ruhiger wurde, fast monoton.
Es war fast still im Gerichtssaal. Das einzige Geräusch war das vibrierende Summen der Klimaanlage.
Gary hörte schließlich zu zählen auf.
»Sitzen Sie bequem? Ist alles in Ordnung?« fragte ich.
Die blauen Augen waren glasig und feucht. Er schien ziemlich schnell in Trance verfallen zu sein. Es gab keine Möglichkeit, das zu überprüfen.
»Ja. Bestens. Ich fühle mich gut.«
»Wenn Sie aus irgendeinem Grund die Sitzung unterbrechen möchten, wissen Sie, wie Sie aus der Trance herauskommen.«
Er nickte leicht. »Ja. Aber ich bin okay.« Er schien nur halb zuzuhören.
Unter dem Druck und den Umständen des Prozesses wirkte es unwahrscheinlich, daß er so etwas vortäuschen konnte.
Ich sagte: »Bei einer anderen Sitzung haben wir darüber gesprochen, daß Sie in dem McDonald's aufgewacht sind. Sie haben mir gesagt, Sie wären aufgewacht, als ob Sie geträumt hätten. Erinnern Sie sich daran?«
»Das stimmt. Natürlich erinnere ich mich daran«, sagte er. »Ich bin in einem Polizeiauto vor dem McDonald's aufgewacht. Ich kam zu mir, und die Polizei war da. Sie hat mich festgenommen.«
»Wie haben Sie sich gefühlt, als die Polizei Sie festgenommen hat?«
»Ich hatte das Gefühl, das kann doch nicht wahr sein. Ausgeschlossen. Es mußte ein böser Traum sein. Ich habe ihnen gesagt, ich bin Vertreter, habe ihnen gesagt, wo ich in Delaware wohne. Alles, was mir einfiel, damit sie merken, daß sie den Falschen verhaftet haben. Daß ich kein Verbrecher bin. Ich bin bei der Polizei noch nie aktenkundig geworden.«
Ich sagte: »Wir haben über den Zeitraum kurz vor Ihrer Festnahme gesprochen. Über jenen Tag. Als Sie in das Schnellrestaurant gegangen sind.«
»Ich … Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich erinnern kann. Lassen Sie mich es versuchen, lassen Sie mich nachdenken …« Gary schien mit sich zu kämpfen. War das Theater? Oder war ihm beim Gedanken an die Wahrheit, an die er sich jetzt erinnerte, nicht wohl?
Es hatte mich bei der Sitzung im Gefängnis überrascht, daß er Sonejis Persönlichkeit gezeigt hatte. Ich fragte mich, ob er es wieder tun würde. Noch dazu unter diesen schwierigen Umständen.
»Sie haben angehalten, um in dem McDonald's aufs Klo zu gehen. Außerdem wollten Sie Kaffee trinken, damit Sie beim Fahren wach blieben.«
»Ich erinnere mich … ich erinnere mich an einen Teil davon. Ich kann mich in dem McDonald's sehen, das steht fest. Ich erinnere mich, daß ich dort war …«
»Lassen Sie sich Zeit. Wir haben jede Menge Zeit, Gary.«
»Voller Leute. Ich meine, im Restaurant waren viele Leute.
Ich ging zur Klotür. Dann bin ich aus irgendeinem Grund nicht hineingegangen. Ich weiß nicht, warum. Das ist seltsam, aber ich kann mich nicht daran erinnern.«
»Was haben Sie da empfunden? Als Sie vor der Klotür standen. Erinnern Sie sich daran, wie Sie sich gefühlt haben?«
»Aufgeregt. Das wurde immer schlimmer. Ich spürte das Blut in meinem Kopf pulsieren. Ich begriff nicht, warum. Ich war erregt und wußte nicht, warum.«
Soneji/Murphy schaute starr geradeaus. Er sah mich an. Es überraschte mich leicht, wie einfach es für mich war, die Zuschauer im Gerichtssaal zu vergessen, die uns beide beobachteten.
»War Soneji in dem Restaurant?« fragte ich ihn.
Er legte den Kopf leicht schief. Die Bewegung hatte etwas seltsam Rührendes.
»Soneji ist da drin. Ja, er ist in dem McDonald's.« Er wurde erregt. »Er tut, als ob er Kaffee will, aber er sieht zornig aus. Er ist, ich glaube, er ist ungeheuer wütend. Soneji ist total verrückt, ein Ungeheuer.«
»Warum ist er zornig? Wissen Sie das? Was macht Soneji so wütend?«
»Ich glaube, weil … weil ihm alles ruiniert worden ist. Die Polizei hat unglaubliches Glück gehabt. Sein Plan, berühmt zu werden, ist verpfuscht worden. Total versaut. Jetzt kommt er sich wie Bruno Richard Hauptmann vor. Auch bloß ein Versager.«
Das war
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