Untitled
Frau«, sagte ich zu ihr.
»Und stolz darauf.« Wie üblich hatte sie das letzte Wort.
Ich rief Jezzie an jenem Morgen mehrmals an, aber sie war nicht zu Hause. Oder sie ging nicht ans Telefon. Ihr Anrufbeantworter war auch nicht eingeschaltet. Ich dachte an unsere Nacht in Arlington. Sie hatte so unter Strom gestanden. Schon ehe der National Star aufgetaucht war.
Ich dachte daran, zu ihrer Wohnung zu fahren, überlegte es mir anders. Wir konnten nicht noch mehr Fotos und Artikel in Boulevardblättern brauchen, während der Prozeß dem Ende zuging.
Niemand sagte an jenem Tag bei der Arbeit viel zu mir. Falls ich noch Zweifel gehabt hätte, das hätte mir gezeigt, wie ernst der angerichtete Schaden war. Ich hatte einen Volltreffer abbekommen, keine Frage.
Ich ging in mein Büro, saß dort ganz allein mit einem Becher schwarzen Kaffee und starrte die vier Wände an. Sie waren voller »Anhaltspunkte« aus dem Entführungsfall. Ich bekam Schuldgefühle, wurde rebellisch und wütend. Ich hätte gern Glas zerschlagen, was ich tatsächlich ein paarmal getan hatte, nachdem Maria erschossen worden war.
Ich saß mit dem Rücken zur Tür an meinem regierungseigenen Metallschreibtisch. Ich hatte meinen Terminplan für die Woche angestarrt, aber ich sah nicht, was auf dem Blatt stand.
»Das mußt du ganz allein durchstehen, Arschloch«, hörte ich Sampson hinter mir sagen. »Dieses Mal bist du ganz einsam. Du bist ein Stück Grillfleisch an einem Barbecuespieß.«
»Meinst du nicht, daß du etwas untertreibst?« sagte ich, ohne mich nach ihm umzudrehen.
»Ich hab' gedacht, du redest mit mir darüber, wenn du darüber reden willst«, sagte Sampson. »Du weißt, daß ich über euch beide Bescheid gewußt habe.«
Zwei Kaffeebecherringe auf dem Einsatzplan zogen meinen Blick auf sich. Was zum Teufel war das? Der BrowningEffekt? Mein Gedächtnis und alles andere ließen mich in letzter Zeit im Stich.
Ich drehte mich schließlich um und schaute Sampson an. Er trug Lederhosen, eine alte Kangol-Mütze, eine schwarze Nylonweste. Die dunkle Brille war eine wirksame Maske. Tatsächlich versuchte er, nett und gutherzig zu sein.
»Was ist denn deiner Meinung nach jetzt los?« fragte ich ihn. »Was wird geredet?«
»Niemand ist glücklich darüber, wie der beschissene Kidnappingfall gelaufen ist. Von oben kommt nicht genug Applaus. Ich nehme an, sie sortieren potentielle Opferlämmer aus. Du gehörst auf jeden Fall dazu.«
»Und Jezzie?« fragte ich. Aber ich kannte die Antwort schon.
»Sie auch. Hat sich mit einem bekannten Neger eingelassen«, sagte Sampson. »Du hast es doch bestimmt schon gehört?«
»Was gehört?«
Sampson stieß kurz die Luft aus, dann informierte er mich über die neueste Entwicklung.
»Sie hat Urlaub auf Zeit genommen, vielleicht sogar den Service ganz verlassen. Ist vor etwa einer Stunde passiert, Alex. Niemand weiß, ob sie es freiwillig getan hat oder ob es ihr nahegelegt worden ist.«
Ich rief sofort Jezzies Büro an. Die Sekretärin sagte, sie komme heute nicht mehr zurück. Ich rief in Jezzies Wohnung an. Niemand meldete sich.
Ich fuhr zu ihrer Wohnung, verstieß unterwegs gegen ein paar Tempolimits. Derek McGinty sprach im Sender WAMU. Ich mag den Klang von Dereks Stimme, auch wenn ich nicht zuhöre.
Bei Jezzie war niemand zu Hause. Wenigstens lungerten keine Fotografen herum. Ich dachte daran, zu ihrem Cottage am See zu fahren. Ich rief von einer Telefonzelle aus in North Carolina an. Der Mann von der Auskunft sagte mir, die Nummer sei abgemeldet worden.
»Wann war das?« fragte ich mit Überraschung in der Stimme. »Ich habe gestern abend dort angerufen.«
»Heute morgen«, sagte der Mann von der Auskunft. »Die Nummer ist heute morgen abgemeldet worden.«
Jezzie war verschwunden.
66. Kapitel
Das Urteil im Prozeß gegen Soneji/Murphy stand bevor.
Die Geschworenen hatten sich am elften November zur Beratung zurückgezogen. Drei Tage später kamen sie zurück, unter pausenlosen Gerüchten, sie hätten den Angeklagten weder schuldig noch unschuldig befinden können. Die ganze Welt schien zu warten.
Sampson holte mich an jenem Morgen ab, und wir fuhren gemeinsam zum Gericht. Das Wetter war warm geworden nach einer kurzen Kältephase, die den Winter ankündigte.
Als wir uns der Indiana Avenue näherten, dachte ich an Jezzie. Ich hatte sie seit über einer Woche nicht gesehen. Ich fragte mich, ob sie zur Urteilsverkündung ins Gericht kommen werde. Sie hatte mich angerufen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher