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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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wollte, daß es so kommt. Alles ein Teil seines meisterhaften Plans, um berühmt zu werden?«
    Die Geschworenen betraten den Gerichtssaal. Die Männer und Frauen sahen benommen und unerträglich angespannt aus. Was hatten sie entschieden – vermutlich spät gestern nacht?
    Ein Geschworener stolperte, als sie der Reihe nach auf der Geschworenenbank aus dunklem Mahagoni Platz nahmen. Der Mann sank auf ein Knie, und die Prozession hinter ihm kam zum Stillstand. Der kurze Augenblick schien die Gebrechlichkeit und Menschlichkeit des ganzen Prozeßverfahrens zu unterstreichen.
    Ich schaute zu Soneji/Murphy hinüber und glaubte, ein schwaches Lächeln auf seinen Lippen zu sehen. Hatte ich ihn bei einem Ausrutscher ertappt? Was für Gedanken rasten jetzt durch seinen Kopf? Welches Urteil erwartete er?
    Wie auch immer, die als Gary Soneji bekannte Persönlichkeit, der »böse Junge«, hätte die Ironie des Augenblicks zu schätzen gewußt. Alles war jetzt bereit. Ein unglaubliches Abenteuer. Und er war mitten auf der Bühne. Ganz gleich, was kam, das war der größte Tag seines Lebens.
    Ich will jemand sein!
    Ein kleines, zusammengefaltetes Stück Papier wurde der Richterin übergeben. Richterin Kaplans Gesicht war ausdruckslos, als sie das Urteil las. Dann gab sie es dem Sprecher der Geschworenen zurück. Das korrekte Verfahren.
    Der Sprecher, der stehengeblieben war, ergriff mit deutlicher, aber zittriger Stimme das Wort. Er war Arbeiter bei der Post und hieß James Heekin. Er war fünfundfünfzig und hatte eine rötliche, fast scharlachrote Gesichtsfarbe, die auf hohen Blutdruck schließen ließ oder vielleicht auch nur auf den Streß >
    der Verhandlung.
    James Heekin verkündete: »In zwei Fällen von Kidnapping haben wir den Angeklagten für schuldig befunden. Im Fall der Ermordung von Michael Goldberg haben wir den Angeklagten für schuldig befunden.« James Heekin sprach nie von Murphy, nur von dem Angeklagten.
    Im ganzen Gerichtssaal brach das Chaos los. Der Lärm war beim Widerhallen von den Steinsäulen und Marmorwänden ohrenbetäubend. Reporter stürzten zu den Telefonen im Flur. Mary Warner nahm gefühlige Gratulationen von allen jungen Mitarbeitern in ihrem Stab entgegen. Anthony Nathan und sein Verteidigungsteam verließ schnell den Saal, wich Fragen aus.
    Vorn im Gerichtssaal spielte sich eine sonderbare Szene ab.
    Als Beamte Gary abführten, liefen seine Frau Missy und seine kleine Tochter Roni auf ihn zu. Die drei umarmten sich heftig. Sie schluchzten unverhohlen.
    Ich hatte Gary noch nie weinen sehen. Falls es eine Vorstellung war, dann war sie wiederum glänzend. Falls er vor dem ganzen Gerichtssaal schauspielerte, war die Szene völlig glaubwürdig.
    Ich konnte den Blick nicht von ihm wenden. Bis schließlich zwei Gerichtsdiener Gary losrissen und ihn hinausführten.
    Falls das Schauspielerei war, hatte er überhaupt nichts falsch gemacht. Er interessierte sich nur für seine Frau und seine kleine Tochter. Er schaute sich kein einziges Mal um, um zu sehen, ob er im Gerichtssaal ein Publikum hatte.
    Er spielte die Rolle vollkommen.
    Oder war Gary Murphy ein Unschuldiger, der eben wegen Kidnapping und Mord verurteilt worden war?

    67. Kapitel
     
    »Pressure, Pressure, Pressure«, sang Jezzie zu der Melodie, die in ihrem Kopf dröhnte.
    Die Haut spannte sich auf ihrer Stirn, während Jezzie die kurvenreiche Bergstraße hinunterfuhr, ohne Vorsicht und Angst. Sie legte sich in jeder Kurve schief, hielt das starke Motorrad im vierten Gang. Die Fichten, die vorkragenden Felsen und die alte Telefonleitung verschwammen, während sie vorbeiraste. Alles war unscharf. Sie hatte das Gefühl, sie wäre seit einem Jahr im freien Fall, vielleicht ihr ganzes Leben lang. Bald würde sie explodieren.
    Niemand begriff, wie es war, so lange unter so starkem Druck zu stehen. Schon als Kind hatte sie Angst gehabt, auch nur einen einzigen Fehler zu machen, Angst gehabt, wenn sie nicht mehr die vollkommene kleine Jezzie wäre, würden ihre Eltern sie niemals lieben.
    Die vollkommene kleine Jezzie.
    »Gut ist nicht gut genug« und »Gut ist der Feind wahrer Größe«, hatte ihr Vater immer zu ihr gesagt. Und deshalb war sie eine berechnende Einserschülerin, ungeheuer beliebt, überall, wo Leistung etwas zählte. Billy Joel hatte vor ein paar Jahren einen Song aufgenommen: »Pressure«. Das entsprach dem, wie sie sich an jedem Tag ihres Lebens fühlte. Sie mußte irgendwie damit Schluß machen, und vielleicht hatte sie jetzt

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