Untitled
nach Hause kam. Bis jetzt hatte ich ihr das mit Jezzie noch nicht gesagt. Jeder Zeitpunkt war grauenhaft, also konnte ich es ihr auch jetzt sagen. Die Biere halfen etwas. Unsere gemeinsame Geschichte half noch mehr. Ich sagte Nana unverblümt die Wahrheit. Sie hörte zu, ohne mich zu unterbrechen, was ein Anzeichen dafür war, wie sie die Neuigkeiten aufnahm.
Als ich fertig war, saßen wir zwei im Wohnzimmer und schauten uns nur an. Ich hockte auf dem Sitzkissen, die langen Beine Richtung Nana ausgestreckt. Das Schweigen zwischen uns schrie.
Nana kauerte unter einer alten hafermehlfarbenen Decke in ihrem Sessel. Sie nickte immer noch leicht, biß sich auf die Unterlippe, dachte über das nach, was ich ihr erzählt hatte.
»Ich muß irgendwo anfangen«, sagte sie schließlich, »also laß mich hier anfangen. Ich werde nicht sagen: ›Ich hab's dir gleich gesagt‹, weil ich keine Ahnung hatte, daß es so schlimm ist. Ich hatte Angst um dich, das ist alles. Aber nicht vor so etwas wie dem hier. So etwas Schreckliches hätte ich mir nie vorstellen können. Jetzt nimm mich bitte in den Arm, ehe ich nach oben gehe und meine Gebete spreche. Heute nacht werde ich für Jezzie Flanagan beten. Wirklich. Ich werde für uns alle beten, Alex.«
»Du weißt, was zu sagen ist«, sagte ich zu ihr. Die reine Wahrheit. Sie wußte, wann sie einem eine herunterhauen und wann sie einem den nötigen Klaps aufs Hinterteil geben mußte.
Ich umarmte Nana, dann ging sie nach oben. Ich blieb unten und dachte an das, was Sampson vorhin gesagt hatte – wir kriegen Jezzie Flanagan . Aber nicht wegen irgend etwas, was sich zwischen uns abgespielt hatte. Wegen Michael Goldberg und Maggie Rose Dunne. Wegen Vivian Kim, die nicht hätte sterben müssen. Wegen Mustaf Sanders.
Irgendwie würden wir Jezzie kriegen.
77. Kapitel
Robert Fishenauer war Aufseher im Gefängnis Fallston. Heute meinte er, das sei eine gute Sache. Fishenauer glaubte, möglicherweise wisse er, wo die zehn Millionen Dollar Lösegeld versteckt waren. Mindestens ein großer Teil des Lösegelds. Er würde gleich mal einen Blick darauf werfen. Er hatte außerdem die Idee im Kopf, daß Gary Soneji/Murphy immer noch allen etwas vormachte. Im großen Stil. Und pausenlos.
Während Fishenauer in seinem Pontiac Firebird die Route 50 in Maryland entlangfuhr, wirbelte ihm ein Schwarm von Fragen durch den Kopf. War Soneji/Murphy der Kidnapper? Wußte er wirklich, wo das Lösegeld war? Oder hatte Gary Soneji/Murphy nur Scheiße im Hirn? Ein weiterer Irrer in Fallston.
Fishenauer meinte, er werde alles bald wissen. Noch ein paar Kilometer auf der Bundesstraße, dann würde er mehr wissen als alle anderen, mit der Ausnahme von Soneji/Murphy selbst.
Die Abzweigung war die selten benutzte Hintereinfahrt zu der alten Farm. Der Weg war jetzt so gut wie ganz verschwunden. Fishenauer sah das, als er rechts von der Hauptstraße abbog.
Rohrkolben und Sonnenblumen wuchsen entlang dessen, was offenbar einmal eine Zufahrt gewesen war. In dem verkrusteten Lehm gab es nicht einmal Fahrspuren.
Die Pflanzen waren niedergetrampelt. Jemand war in den letzten Monaten hiergewesen. Das FBI und die Ortspolizei? Sie hatten das Farmhaus vermutlich ein dutzendmal untersucht.
Aber hatten sie die verlassene Farm auch gründlich genug durchsucht? fragte sich Robert Fishenauer. Das war jetzt die Zehn-Millionen-Dollar-Frage, nicht wahr?
Gegen halb sechs Uhr nachmittags parkte Fishenauer seinen staubigen roten Firebird neben einer baufälligen Garage links neben dem Farmhaus. Jetzt floß das Adrenalin in Strömen. Nichts brachte den Adrenalinspiegel so auf Hochtouren wie eine Schatzsuche.
Gary hatte davon gefaselt, Bruno Hauptmann habe einen Teil des Lindbergh-Lösegelds in seiner Garage in New York City versteckt. Hauptmann war gelernter Tischler gewesen, und er hatte in die Garagenwand einen Geheimschrank für das Geld eingebaut.
Gary sagte, er habe auf der alten Farm in Maryland etwas Ähnliches gemacht. Er hatte geschworen, das sei die Wahrheit, und das FBI werde das Versteck niemals finden.
Fishenauer schaltete den dröhnenden Motor des Firebird aus. Die plötzliche Stille war unheimlich. Das alte Haus sah wirklich verlassen und ganz gespenstisch aus. Es erinnerte ihn an den Film Die Nacht der lebenden Toten . Nur daß er in dem Gruselschocker hier die Hauptrolle spielte.
Überall wucherte Unkraut, sogar auf dem Garagendach. Die Garagenwände hatten Wasserflecken.
»Schön, Gary, sehen wir mal, ob
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