Untitled
Beobachtung wegen Selbstmordgefahr war für die Gefängnisleitung eine ernste Sache. Während Volpis Schicht durfte dem Häftling nichts passieren.
»Mir wird wieder schlecht«, stöhnte Gary Soneji/Murphy. Er sackte schwer gegen die Stäbe und kotzte ein zweites Mal –heftig.
Gleich darauf kam der Aufseher. Laurence Volpi berichtete seinem Chef schnell, was vorgefallen war. Es war seine übliche Rede, wenn er sich absichern wollte.
»Er sagt, er ist vergiftet worden, Bobby. Ich weiß nicht, was zum Teufel passiert ist. Es ist möglich. Die meisten von den anderen Scheißkerlen hassen ihn bis aufs Blut.«
»Ich bringe ihn nach unten in die Krankenstation«, sagte Fishenauer zu seinen Untergebenen. Fishenauer war sowieso der Typ, der gern das Kommando übernahm. Volpi hatte damit gerechnet. »Ich nehme an, sie müssen ihm den Magen auspumpen. Falls noch was zum Auspumpen drin ist. Fesselt ihn. Hand- und Beinschellen. Er sieht nicht so aus, als ob er in der Form wäre, heute nacht viel Ärger zu machen.«
Ein paar Augenblicke später meinte Gary Soneji/Murphy, er habe es halb geschafft. Der Gefängnisaufzug war gepolstert. Schwere Stoffmatten überzogen die Wände. Außerdem war er uralt und furchtbar langsam. Garys Herz hämmerte wie eine Trommel. Ein bißchen Angst war gesund für ihn. Ihm hatte der Adrenalinstoß gefehlt.
»Bist du in Ordnung?« fragte Fishenauer, als er und Gary Soneji/Murphy nach unten fuhren, dem Anschein nach zentimeterweise. Eine einzige nackte Glühbirne ragte aus den Matten. Sie warf ein trübes Licht.
»Ob ich in Ordnung bin? Wonach sieht es denn aus? Ich habe dafür gesorgt, daß mir gründlich schlecht wird. Mir ist schlecht«, sagte Soneji/Murphy zu ihm. »Warum, zum Teufel, bewegt sich dieses Ding nicht schneller?«
»Mußt du wieder kotzen?«
»Durchaus möglich. Ein kleiner Preis.« Soneji/Murphy gelang ein schwaches Lächeln. »Ein winziger Preis, Bobby.«
Fishenauer ächzte. »Muß wohl stimmen. Aber wenn du wieder kotzen mußt, sorg' wenigstens dafür, daß du mich nicht triffst.«
Der Aufzug passierte das nächste Stockwerk, dann das übernächste. Er hielt nicht. Er fuhr durch bis zum Keller, wo er mit einem hohlen Rumpeln hielt.
»Falls wir jemand sehen, gehen wir zum Röntgen«, sagte Fishenauer, als die Aufzugtür aufging. »Der Röntgenraum ist hier unten.«
»Ja, ich kenne den Plan. Es ist mein Plan«, sagte Gary Soneji/ Murphy.
Weil es nach drei Uhr morgens war, begegneten sie niemandem, als sie durch den langen Tunnel im Gefängniskeller gingen. Auf halbem Weg war eine Seitentür. Fishenauer schloß sie auf.
Noch ein kurzes Stück stiller, leerer Flur. Dann kamen sie an die Sicherheitstür. Hier würde die Kacke zum Dampfen kommen, und Soneji/Murphy mußte gut sein. Hier würde er Fishenauer zeigen, daß Gary Soneji/Murphy so gut war wie sein Ruf. Fishenauer hatte keinen Schlüssel zur Sicherheitstür.
»Gib mir jetzt deinen Revolver, Bobby. Denk einfach an zehn Millionen Dollar. Um den Rest kümmere ich mich, du brauchst dir also bloß Sorgen über deinen Anteil zu machen.«
Das war's. Bei Soneji klang das so einfach. Tu dies, tu das. Hol dir ein Stück von zehn Millionen Dollar. Fishenauer reichte ihm widerstrebend den Revolver. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken, was er tat. Das war auch seine Chance, aus Fallston herauszukommen. Seine einzige Chance. Fishenauer wußte, daß er sonst den Rest seines Lebens in Fallston verbringen würde.
»Ich hab' nichts Besonderes vor, Bobby, aber es wird funktionieren. Halt dich an Kessler. Mach ein Gesicht, als ob du >
richtige Angst hättest.«
»Ich hab' eine Scheißangst.«
»Solltest du auch, Bobby. Ich hab' deine Waffe.«
Auf der anderen Seite der Sicherheitstür saßen zwei Gefängniswärter. Ein hüfthohes Plexiglasfenster verschaffte ihnen eine Aussicht auf einen unglaublichen Anblick.
Sie sahen Soneji/Murphy, der einen Revolver an die linke Schläfe des Aufsehers Bob Fishenauer hielt. Soneji/Murphy trug Arm- und Beinschellen, aber er hatte außerdem eine Waffe. Beide Wärter standen schnell auf. Sie hoben die Gewehre. Sie hatten keine Zeit, mehr zu tun.
»Ihr glotzt einen toten Wärter an«, schrie Gary, so laut er konnte, »wenn ihr nicht innerhalb von fünf Sekunden die Scheißtür aufmacht. Nicht länger!«
»Bitte!« rief Fishenauer plötzlich seinen Wärterkollegen zu. Er hatte tatsächlich Angst. Soneji drückte ihm den Revolver fest gegen die Schläfe. »Er hat oben Volpi
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