Untitled
Gefängnis und hat eine gute Dienstakte«, sagte Hart. »Bis heute hat er seine Arbeit gemacht.«
»Was vermutest du? Ist dieser Wärter Garys neueste Geisel?« fragte ich Wallace.
»Das glaube ich nicht. Ich glaube, der Scheißkerl hat Soneji bei der Flucht geholfen.«
Am selben Morgen fing das FBI damit an, Michael Devine und Charles Chakely rund um die Uhr zu überwachen.
Eine Theorie lautete, Soneji/Murphy könne Jagd auf sie machen. Er wußte, daß sie seinen meisterhaften Plan verpfuscht >
hatten.
Die Leiche des Gefängniswärters Robert Fishenauer wurde in einer baufälligen Garage auf der verlassenen Farm in Crisfield, Maryland, gefunden. Ein Zwanzigdollarschein war ihm in den Mund gestopft worden. Der Schein hatte nicht zum Lösegeld gehört.
Die üblichen Gerüchte, Soneji/Murphy sei »gesehen« worden, gingen den ganzen Tag weiter. Nichts kam dabei heraus.
Soneji/Murphy war irgendwo da draußen, lachte uns aus, heulte vermutlich in einem dunklen Keller. Er war wieder auf den Titelseiten aller Zeitungen im Land. Genau wie Gary es mochte. Der böse Junge Nummer eins. Aller Zeiten.
An jenem Abend fuhr ich gegen sechs zu Jezzies Wohnung. Ich wollte nicht hin. Mir war gar nicht wohl im Magen. Mein Kopf war in einer noch schlechteren Verfassung. Ich mußte sie davor warnen, daß sie möglicherweise auf Soneji/ Murphys Liste stand, vor allem dann, wenn er Jezzie mit Devine und Chakely in Verbindung gebracht hatte. Ich mußte Jezzie warnen, ohne ihr alles andere zu sagen, was ich wußte.
Als ich die vertraute rote Backsteintreppe zur Veranda hochstieg, hörte ich im Haus Rockmusik, die die Wände zum Beben brachte. Es war Bonnie Raitts Album Taking My Time . »I Gave My Love a Candle«, klagte Bonnie.
Jezzie und ich hatten dieses Band im Cottage am See immer wieder gespielt. Vielleicht dachte sie an jenem Abend an mich. Ich hatte in den letzten Tagen viel über Jezzie nachgedacht.
Ich klingelte, und Jezzie machte die Jalousientür auf. Sie trug die übliche Aufmachung: ein zerknittertes T-Shirt, abgeschnittene Jeans, Sandalen. Sie lächelte und schien froh zu sein, daß ich da war. So ruhig, cool, gesammelt. Mein Magen war völlig verkrampft. Alles andere an mir war eiskalt. Ich wußte jetzt, was ich zu tun hatte. Jedenfalls glaubte ich es.
»Und noch was«, sagte ich, als hätten wir eben erst ein Gespräch beendet.
Jezzie lachte und hielt mir die Jalousientür auf. Ich ging nicht hinein. Ich blieb auf der Veranda stehen. Am Haus nebenan brachte der Wind ein Glockenspiel zum Klingen. Ich hielt Ausschau nach einer falschen Bewegung, nach irgend etwas, das mir zeigte, sie beherrsche ihre Rolle nicht vollkommen. Da war nichts.
»Wie wär's mit einer Fahrt aufs Land? Ich lade dich ein«, sagte ich zu Jezzie.
»Klingt gut, Alex. Ich zieh' mir bloß eine lange Hose an.«
Kurz darauf saßen wir auf dem Motorrad und rasten von ihrer Wohnung weg. Ich summte immer noch: »I Gave My Love a Candle«. Ich dachte außerdem ein letztes Mal über alles nach. Machte meinen Plan, überprüfte ihn zweimal. Ich mußte herausfinden, wer böse, wer gut war.
»Wir können beim Fahren reden.« Jezzie drehte den Kopf und rief in den Wind.
Ich hielt mich enger an ihrem Rücken und ihrer Brust fest. Dadurch fühlte ich mich noch schlechter. Ich rief in ihr Haar: »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, weil Soneji auf freiem Fuß ist.« Wenigstens das war wahr. Ich wollte Jezzie nicht ermordet finden. Mit abgeschnittenen Brüsten.
Sie wandte den Kopf. »Warum? Warum hast du dir Sorgen um mich gemacht? Meine Smith & Wesson ist bei mir zu Hause.«
Weil du dabei geholfen hast, sein perfektes Verbrechen zu ruinieren, und vielleicht weiß er das, hätte ich am liebsten zu ihr gesagt. Weil du das kleine Mädchen von der Farm wegge bracht hast, Jezzie. Du hast Maggie Rose Dunne weggebracht,
und dann mußtest du sie umbringen, nicht wahr?
»Er weiß aus der Zeitung von uns«, sagte ich statt dessen zu Jezzie. »Vielleicht macht er Jagd auf alle, die etwas mit dem Fall zu tun hatten. Vor allem auf alle, die seiner Meinung nach seinen Plan verdorben haben.«
»Tickt er so, Alex? Du mußt es doch schließlich wissen. Du bist der Psychologe für Kriminelle.«
»Er will der Welt zeigen, wie überlegen er ist«, sagte ich. »Für ihn muß dieser Fall so groß und kompliziert sein wie damals die Lindbergh-Entführung. Ich glaube, deshalb ist er auf den Fall Lindbergh so versessen. Er will, daß sein Verbrechen das größte
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