Untitled
und beste ist. Das hat er noch nicht geschafft. Vermutlich glaubt er, er fängt einfach noch mal von vorn an.«
»Wer ist der Bruno Hauptmann in unserer Geschichte? Wen will Soneji ans Messer liefern?« rief Jezzie über den Wind hinweg.
Versuchte Jezzie, mir ihr Alibi zu verkaufen? War es möglich, daß Soneji ihr die Sache irgendwie in die Schuhe geschoben hatte? Das wäre der Gipfel gewesen … Aber wie? Und warum?
»Gary Murphy ist Bruno Hauptmann«, sagte ich, weil ich glaubte, die Antwort zu kennen. »Er ist derjenige, den Gary Soneji schlau ans Messer geliefert hat. Er ist verurteilt worden und ins Gefängnis gekommen, und er ist unschuldig.«
Wir redeten während der ersten halben Stunde der Fahrt. Dann wurde es ruhig, Kilometer um Kilometer auf der offenen Schnellstraße.
Wir waren beide in unseren Privatwelten. Ich hielt mich einfach an ihrem Rücken fest. Ich erinnerte mich an andere Dinge über uns. Ich fühlte mich innerlich so schlecht, wollte alle Gefühle ausschalten. Ich wußte, daß sie psychopathisch war, genau wie Gary. Kein Gewissen. Ich glaubte, daß die Industrie, die Regierung, die Wall Street voller solcher Menschen war. Keine Reue. Erst dann, wenn sie erwischt wurden. Dann flossen die Krokodilstränen.
»Wollen wir wieder verreisen?« stellte ich Jezzie schließlich die Frage, die ich mir überlegt hatte. »Wieder auf die Virgin Islands fliegen? Ich brauche es.«
Ich war mir nicht sicher, ob sie mich gehört hatte. Dann sagte Jezzie: »In Ordnung. Ich möchte gern eine Weile in die Sonne. Auf zu den Inseln.«
Ich duckte mich hinter ihr auf dem schnellen Motorrad. Ich hatte es getan. Wir rasten durch die schöne Landschaft, aber von den ganzen verschwommen vorbeifliegenden Ansichten, von allem, was von jetzt an geschah, bekam ich Kopfschmerzen, die nicht weggingen.
81. Kapitel
Maggie Rose Dunne wollte vor allem leben. Das hatte sie jetzt begriffen.
Sie wollte, daß ihr Leben wieder so wurde wie früher. Sie sehnte sich nach ihren Eltern. Nach ihren Freunden, ihren Freunden in Washington und Los Angeles, aber vor allem nach Michael. Was war aus Shrimpie Goldberg geworden? Hatten sie ihn freigelassen? War für ihn Lösegeld bezahlt worden, aber aus irgendeinem Grund nicht für sie?
Maggie erntete jeden Tag Gemüse, und die Arbeit war schwer, aber vor allem war die Arbeit das Langweiligste, was sie sich vorstellen konnte. An den langen Tagen unter der brennenden Sonne mußte sie an etwas anderes denken. Sie mußte ihren Kopf einfach ablenken von dem, was sie tat, und von dem Ort, an dem sie war.
Fast anderthalb Jahre nach der Entführung floh Maggie Rose aus dem Versteck, in dem sie festgehalten wurde.
Sie hatte sich anerzogen, jeden Morgen ganz früh aufzuwachen, vor allen anderen. Sie tat das wochenlang, ehe sie einen Versuch unternahm. Es war draußen noch dunkel, aber sie wußte, daß in fast einer Stunde die Sonne aufging. Dann wurde es so furchtbar heiß.
Sie ging barfuß in die Küche, die Arbeitsschuhe in der Hand. Wenn sie jetzt ertappt wurde, konnte sie sagen, sie wolle nur aufs Klo. Ihre Blase war voll, eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, daß sie ertappt wurde.
Sie hatten ihr gesagt, sie könne niemals entkommen, nicht einmal, wenn sie aus dem Dorf herauskam. Es waren über hundertfünfzig Meilen zum nächsten Ort, ganz gleich, welche >
Richtung sie einschlug. Das hatten sie ihr gesagt.
Die Berge waren voller Schlangen und gefährlicher Katzen. Manchmal hörte sie die Katzen nachts fauchen. Sie würde es nie in ein anderes Dorf schaffen. Das sagten sie ihr.
Und wenn sie Maggie Rose erwischten, kam sie mindestens ein Jahr lang unter die Erde. Erinnerte sie sich daran, wie es war, begraben zu sein? Kein Licht mehr zu sehen?
Die Küchentür war abgeschlossen. Sie wußte, wo der Schlüssel aufbewahrt wurde, mit vielen anderen rostigen alten Schlüsseln in einem Werkzeugschrank. Maggie Rose nahm den Schlüssel und außerdem einen kleinen Hammer als Waffe. Sie steckte den Hammer unter den Gummibund ihrer Shorts.
Maggie steckte den Schlüssel in die Küchentür. Sie ging auf, und Maggie Rose war draußen. Zum ersten Mal seit langer Zeit war sie frei. Ihr Herz hob sich wie die Falken, die sie manchmal hoch in der Luft über dem Versteck sah.
Schon das Gehen, ganz allein, war so ein gutes Gefühl. Maggie Rose ging mehrere Kilometer. Sie hatte beschlossen, bergab zu gehen statt in die Berge hinauf– obwohl eines der Kinder behauptete, nicht weit in dieser
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