Untitled
fing mit der Lektüre der Auflistung an.
Aldo Moro. In Rom gekidnappt. Während der Entführung Leibwächter ermordet. Moros Leiche in geparktem Auto ge funden.
Jack Teich, nach Zahlung von 750 000 Dollar freigelassen.
J. Reginald Murphy, Herausgeber der Atlanta Constitution, freigelassen nach Zahlung von 700 000 Dollar.
J. Paul Getty III. in Süditalien nach Zahlung von 2,8 Millio nen Dollar Lösegeld freigelassen.
Mrs. Virginia Piper aus Minneapolis, freigelassen, nachdem ihr Mann 1 000 000 Dollar gezahlt hatte.
Victor E. Samuelson, nach Zahlung von 14,2 Millionen Dol lar Lösegeld freigelassen.
Ich pfiff, als ich die Summen auf seiner Liste sah. Was würde er für Maggie Rose Dunne und Michael Goldberg verlangen?
Es war wirklich eine kleine Wohnung, und Soneji hatte nicht viel Platz zum Abwischen der Fingerabdrücke gehabt. Trotzdem sagte Schweitzer, er habe nichts hinterlassen. Ich fragte mich, ob Soneji Polizist gewesen sein könnte. Auch das war eine Methode, ein Verbrechen zu planen, und verbesserte vielleicht die Chancen, ungestraft davonzukommen.
»Komm mal hier rein.« Sampson war im Bad an der Seite der winzigen Einzimmerwohnung.
Die Wände waren mit Fotos aus Zeitschriften, Zeitungen, Plattenhüllen und Buchumschlägen tapeziert.
Er hatte uns eine letzte Überraschung hinterlassen. Keine Fingerabdrücke, aber eine Nachricht.
Über dem Spiegel klebte eine gedruckte Schlagzeile:
ICH WILL JEMAND SEIN!
An den Wänden hing eine Ausstellung. Ich sah River Phoenix. Und Matt Dillon. Da hingen Fotos aus Büchern von Helmut Newton. Ich erkannte Lennons Mörder, Mark David Chapman. Und Axl Rose. Auch Pete Rose hing an der Wand. Und Neon Deon Sanders. Wayne Williams war dabei. Und Zeitungsartikel. Über den Brand im Happyland Social Club in New York City. Ein New York Times -Artikel über die Lindbergh-Entführung. Ein Artikel über die Entführung von Samuel Broufman, des Erben von Seagram, und ein Artikel über das vermißte Kind von Etan Patz.
Ich dachte über den Kidnapper Soneji nach, ganz allein in seiner trostlosen Wohnung. Er hatte sorgfältig alle Fingerabdrücke abgewischt. Das Zimmer selbst war so klein, so mönchisch. Er war ein Leser, umgab sich jedenfalls gern mit Büchern. Und dann die Fotogalerie. Was sagte sie uns? Spuren? Irreführungen?
Ich stand vor dem Spiegel über dem Waschbecken und schaute hinein, wie er es viele, viele Male getan haben mußte. Was sollte ich sehen? Was hatte Gary Soneji gesehen?
»Das war sein Bild an der Wand – das Gesicht im Spiegel«, trug ich Sampson eine Theorie vor. »Das ist hier das Schlüsselbild, das zentrale. Er will der Star des Ganzen sein.«
Sampson lehnte an der Wand voller Fotos und Zeitungsausschnitten. »Warum keine Fingerabdrücke, Doktor Freud?«
»Er muß wissen, daß wir irgendwo in unserer Kartei seine Fingerabdrücke haben. Bringt mich auf den Gedanken, daß er sich in der Schule verkleidet haben könnte. Vielleicht hat er sich hier geschminkt, ehe er in die Schule fuhr. Er könnte ein Bühnenschauspieler sein. Ich glaube nicht, daß wir sein Gesicht schon gesehen haben.«
»Ich glaube, der Junge hat große Pläne. Er will eindeutig ein Star sein«, sagte Sampson.
Ich will jemand sein!
13. Kapitel
Maggie Rose Dunne war aus dem seltsamsten Schlaf ihres Lebens erwacht. Grauenhafte, unbeschreibliche Alpträume.
Sie hatte das Gefühl, als bewege sich alles um sie herum in Zeitlupe. Sie war durstig. Sie mußte dringend pinkeln.
Ich bin heute morgen zu müde, Mom. Bitte! Ich will nicht aufstehen. Will heute nicht in die Schule. Bitte, Mom. Ich fühl mich gar nicht gut. Ehrlich, Mommy, wirklich nicht.
Maggie Rose machte die Augen auf. Jedenfalls glaubte sie, sie habe die Augen aufgemacht, aber sie konnte nichts sehen. Überhaupt nichts.
»Mommy! Mommy! Mommy!« schrie Maggie schließlich und konnte nicht zu schreien aufhören.
Danach trieb sie mindestens eine Stunde lang ins Bewußtsein und wieder hinaus. Sie fühlte sich am ganzen Körper schwach. Sie trieb wie ein Blatt in einem riesigen Strom. Die Strömungen trugen sie, wohin sie wollten.
Sie dachte an ihre Mom. Wußte sie, daß Maggie verschwunden war? Suchte sie jetzt nach ihr? Sie mußte nach ihr suchen.
Vielleicht hatte ihr jemand die Arme und Beine abgehackt. Sie konnte sie nicht spüren. Es mußte schon lange her sein.
Es war pechschwarz. Sie wußte, daß sie unter der Erde liegen mußte. Sie mußte verfaulen und ein Skelett werden. Konnte sie deshalb
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