Untitled
denn diesen Satz her? Hat das Lou Gossett in Ein Offizier und ein Gentleman gesagt?«
»Sie halten das alles wohl für ungeheuer komisch, Cross?«
»Nein. Ich finde es überhaupt nicht komisch. Und jetzt halten Sie ihr Gesicht mal bedeckt, sonst haben Sie nämlich keines mehr«, warnte ich ihn.
Ich verließ das Klo. Pittman, Chef der Kriminalpolizei, folgte mir nicht. Ja, ich lasse mich provozieren. Nein, dieser kleine Scheißhaufen sollte mir nicht in die Suppe spucken.
Kurz nach acht hatte sich endlich das Geiselrettungsteam in einem großen, erlesen eingerichteten Salon versammelt. Ich spürte sofort, irgendwas stimmte nicht. Ganz bestimmt war etwas schiefgelaufen.
Jezzie Flanagan vom Secret Service hatte das Wort. Ich erinnerte mich an sie vom Morgen davor in der Tagesschule. Sie stand vor einem brennenden Kamin.
Der Sims war überladen mit Stechpalmenzweigen, winzigen weißen Kerzen und Weihnachtskarten. Mehrere nicht ganz der Tradition entsprechende Karten stammten offensichtlich von Freunden der Dunnes in Kalifornien – Fotos von geschmückten Palmen, vom Nikolausschlitten im Himmel über Malibu. Die Dunnes waren erst vor kurzem nach Washington gezogen, nachdem Thomas Dunne zum Direktor des Roten Kreuzes ernannt worden war.
Jezzie Flanagan sah fröhlicher aus als in der Schule. Sie trug ein weites graues Hemd, dazu einen schwarzen Rollkragenpullover und kleine Goldohrringe. Sie sah wie eine Washingtoner Anwältin aus, attraktiv und erfolgreich.
»Soneji hat sich gestern nacht um Mitternacht bei uns gemeldet. Dann wieder gegen eins. Wir hatten nicht damit gerechnet, daß er so früh mit uns Kontakt aufnimmt. Keiner von uns hatte damit gerechnet«, eröffnete sie das Gespräch.
»Der erste Anruf kam aus der Gegend von Arlington. Soneji machte deutlich, er habe nichts über die Kinder zu sagen, ausgenommen, daß es Maggie Rose Dunne und Michael Goldberg gutginge. Was hätte er sonst auch sagen sollen? Er erlaubte uns nicht, mit den Kinder zu sprechen, also wissen wir nicht genau, ob das stimmt. Er klang klar und völlig beherrscht.«
»Ist das Tonband mit seiner Stimme schon analysiert worden?« fragte Pittman von seinem Platz in der ersten Reihe aus. Falls Sampson und ich uns das Ganze von draußen aus ansehen sollten, war es gut zu wissen, daß es Pittman auch nicht besser erging. Offenbar redete auch mit ihm kein Schwein.
»Das ist erledigt«, beantwortete Flanagan höflich die Frage. Sie bedachte sie mit genau der Aufmerksamkeit, die sie verdiente, dachte ich, aber sie vermied jede Überheblichkeit. Sie verstand sich gut darauf, die Lage im Griff zu halten.
»Wie lange war er in der Leitung?« fragte als nächstes der >
Anwalt vom Justizministerium, Richard Galletta.
»Unglücklicherweise nicht lange, genau gesagt, vierunddreißig Sekunden«, antwortete Flanagan mit derselben effektiven Höflichkeit. Kühl, aber einigermaßen freundlich. Schlau.
Ich musterte sie. Sie fühlte sich offenbar wohl, wenn sie vor Menschen stand. Ich hatte gehört, sie habe in den letzten Jahren für ein paar kühne Aktionen im Secret Service Anerkennung gefunden – was hieß, sie hatte eine Menge Anerkennung eingesteckt.
»Er war schon lange fort, als wir zu der Telefonzelle in Arlington kamen. So früh konnten wir gar nicht soviel Glück haben«, sagte sie. Sie ließ die Andeutung eines Lächelns sehen, und mir fiel auf, daß mehrere Männer im Zimmer zurücklächelten.
»Warum hat er Ihrer Meinung nach angerufen?« fragte hinten im Zimmer der Chef der Bundespolizei. Er war kahl und feist und rauchte Pfeife.
Flanagan seufzte. »Bitte, lassen Sie mich fortfahren. Unglücklicherweise geht es um mehr als um einen Anruf. Soneji hat gestern nacht den FBI-Agenten Roger Graham ermordet. Das hat sich direkt vor Grahams Haus in Virginia abgespielt, in der Einfahrt.«
Es ist schwer, eine Gruppe von Fachleuten wie die, die bei den Dunnes versammelt war, zu erschüttern. Die Nachricht vom Mord an Roger Graham schaffte es. Ich weiß, mir wurden dabei die Knie weich, Roger und ich hatten in den letzten Jahren ein paarmal gemeinsam in der Klemme gesteckt. Wenn ich mit ihm gearbeitet hatte, konnte ich immer sicher sein, Rükkendeckung zu haben. Nicht daß ich noch einen Grund gebraucht hätte, Jagd auf Gary Soneji zu machen, aber er hatte mir wirklich einen guten Grund geliefert.
Ich fragte mich, ob Soneji das gewußt hatte. Und was hieß es, wenn er es gewußt hatte? Als Psychologe erfüllte mich der Mord mit einem
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