Untitled
ihre Arme und Beine nicht spüren?
Muß ich immer so bleiben? Sie konnte das nicht ertragen und weinte wieder. Sie war so verwirrt. Sie konnte überhaupt nicht denken.
Maggie Rose konnte jedoch die Augen öffnen und schließen. Jedenfalls glaubte sie, sie könne es. Aber es machte keinen Unterschied, ob ihre Augen auf oder zu waren. Alles war dunkel. Überall.
Wenn sie es immer wieder machte, wenn sie die Augen ganz schnell öffnete und schloß, sah sie Farben.
Jetzt sah sie in der Schwärze farbige Streifen und Fetzen. Vor allem rot und leuchtendgelb.
Maggie fragte sich, ob sie angeschnallt oder gefesselt war. Machten sie das mit einem in einem Sarg? Schnallten sie einen an? Warum sollten sie das tun? Damit man nicht unter dem Boden hervorkam? Damit der Geist immer und ewig unter der Erde blieb?
Plötzlich erinnerte sie sich an etwas. Mr. Soneji. Einen Augenblick lang lichtete sich etwas von dem Nebel, der sie umgab.
Mr. Soneji hatte sie aus der Schule weggebracht. Wann war das gewesen? Warum? Wo war Mr. Soneji jetzt?
Und Michael! Was war mit Michael passiert? Sie hatten die Schule gemeinsam verlassen. Daran erinnerte sie sich.
Da bewegte sie sich, und etwas ganz Erstaunliches geschah. Sie entdeckte, daß sie sich umdrehen konnte.
Und das tat Maggie Rose. Sie drehte sich um und stieß plötzlich gegen etwas.
Sie konnte ihren Körper wieder spüren. Sie hatte noch einen Körper, den sie spüren konnte. Sie war sich völlig sicher, daß sie einen Körper hatte und kein Skelett war.
Und Maggie schrie!
Sie hatte sich gegen jemanden oder gegen etwas gewälzt.
Noch etwas war bei ihr in der Dunkelheit.
Michael?
Es mußte Michael sein.
»Michael?« Maggies Stimme war so leise, daß es kaum zu einem Flüstern reichte. »Michael? Bist du das?«
Sie wartete auf eine Antwort.
»Michael?« flüsterte sie lauter.
»Michael, komm schon. Bitte, sprich mit mir.«
Wer es auch war, er antwortete nicht. Es war beängstigender, als allein zu sein.
»Michael … Ich bin's … Hab keine Angst … Ich bin's, Maggie … Michael, bitte wach auf.«
»Oh, Michael, bitte … Bitte, Shrimpie. Das mit deinen doofen Schulschuhen war doch bloß Spaß. Komm schon, Michael. Sprich mit mir, Shrimpie. Ich bin's, der Frechdachs.«
14. Kapitel
Das Haus der Dunnes war das, was hiesige Immobilienexperten vermutlich eine von Lutyens inspirierte Villa im neoelisabethanischen Stil genannt hätten. Weder Sampson noch ich hatten im Südosten von D.C. allzu viele Häuser dieser Art gesehen.
Innen war das Haus so gelassen und vielfältig, wie das bei den Reichen wohl üblich ist. Jede Menge teure Sachen. Artdeco-Vertäfelungen, asiatische Wandschirme, eine französische Sonnenuhr, ein Teppich aus Turkestan, etwas, was nach einem chinesischen oder japanischen Altartisch aussah. Mir fiel ein, was Picasso einmal gesagt hatte: »Gebt mir ein Museum, und ich fülle es.«
Hinter einem der Salons war ein Gästeklo. Ich war kaum angekommen, als Chief Pittman mich packte und in das Klo zog. Es war gegen acht. Zu früh für so etwas.
»Was bilden Sie sich eigentlich ein?« fragte er. »Was haben Sie vor, Cross?«
Der Raum war wirklich überfüllt, nicht groß genug für zwei kräftige, ausgewachsene Männer. Es war auch kein Durchschnittsklo. Auf dem Boden lag ein William-Morris-Läufer. In einer Ecke stand ein Designerstuhl.
»Ich habe gedacht, ich trinke eine Tasse Kaffee. Danach hatte ich vor, an der Einsatzbesprechung teilzunehmen«, sagte ich zu Pittman. Ich wollte unbedingt aus diesem Klo heraus.
»Verscheißern Sie mich nicht.« Er hob die Stimme. »Von Ihnen laß ich mich nicht verscheißern.«
Oh, lassen Sie das, hätte ich am liebsten zu ihm gesagt. Machen Sie hier drin keine häßliche Szene. Ich spielte mit dem Gedanken, seinen Kopf in das Wasser in der Kloschüssel zu stecken, nur damit er still war.
»Sprechen Sie leiser, oder ich gehe«, sagte ich. Ich versuche meistens, mich vernünftig und rücksichtsvoll zu verhalten. Das ist einer meiner Charakterfehler.
»Sagen Sie mir nicht, ich soll leiser sprechen. Wer zum Teufel hat Ihnen gestern abend gesagt, Sie sollen nach Hause gehen? Ihnen und Sampson. Wer hat Ihnen gesagt, Sie sollen heute früh in Sonejis Wohnung gehen?«
»Ist das alles? Sind wir deshalb hier drin?« fragte ich.
»Da können Sie drauf wetten. Ich leite diese Ermittlung. Das heißt, wenn Sie sich den Schuh zubinden wollen, fragen Sie mich vorher.«
Ich grinste. Ich konnte nicht anders. »Wo haben Sie
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