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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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existierende Tochter auftreiben, hatte Brock die Einladung des Bürgermeisters zum Mittagessen ausgeschlagen und sich dafür umständliche Empfehlungen anhören müssen, welche der zahlreichen vorzüglichen Geschäfte in der Stadt er aufsuchen sollte, von denen das beste natürlich die klimatisierte Boutique eines Neffen des Bürgermeisters war. Er empfand keine Müdigkeit, kein Nachlassen seines gewohnten Forschungsdrangs. In den letzten zweiundsiebzig Stunden hatte er bestenfalls sechs Stunden geschlafen, in Flugzeugen, Taxis, unterwegs zu hastig einberufenen Sitzungen, am Vormittag in Whitehall, am Nachmittag in Amsterdam und in der Abenddämmerung schließlich im Garten der Hacienda eines Drogenhändlers in Marbella, denn Brock hatte überall seine Informanten. Alle möglichen Leute fühlten sich aus allen möglichen Gründen zu ihm hingezogen. Sogar auf seinem Gang durch diese Kleinstadt nahmen abgebrühte Ladeninhaber und Gastwirte, die ihn zum Kauf ihrer Waren aufforderten, irgend etwas an ihm wahr, das sie in all diesem Tumult kurz Preise. Und wenn er die Straßenseite wechselte, um festzustellen, wer von den Passanten stehenblieb oder abrupt die Richtung änderte, und wenn er ihnen dann fröhlich zuwinkte und rief: »Vielleicht das nächstemal!«, glaubten sie in seiner Ablehnung eine vage Bestätigung ihrer Ahnungen zu spüren und blickten ihm nach, hielten noch lange müßig Ausschau nach ihm, ob er nicht zufällig noch ein zweitesmal vorbeikäme. Er gelangte zu dem kleinen Fischerhafen mit dem weißen Leuchtturm, der uralten Mole aus Granit und den belebten Tavernen, und auch hier bekundete er unverfälschtes Vergnügen an allem, was er sah: den Geschäften und Jeansläden, in denen er, hätte er eine Tochter gehabt, wahrscheinlich etwas Passendes gefunden hätte, an den Vergnügungsschiffen, den Ausflugsbooten mit gläsernen Böden, den Trawlern in ihren dünnen Mänteln aus Fischernetzen, dem schmutzigen ockerfarbenen Jeep, der auf einer Lehmpiste am Hang hinter dem Hafen stand. Zwei Gestalten saßen darin, ein Junge, ein Mädchen. Schon aus fünfzig Metern konnte man erkennen, daß sie genauso verdreckt waren wie der Jeep. Brock trat bei einem Händler ein, sah sich ein paar Sachen näher an, blickte in diverse Spiegel und entschied sich für ein lustiges T-Shirt, das er mit der für operative Ausgaben bestimmten Kreditkarte bezahlte. Mit der Einkaufstüte in der Hand bummelte er an der Mole entlang zum Leuchtturm, wo er, nun ganz allein, ein Handy aus der Tasche zog und sein Londoner Büro anrief; sogleich übermittelte ihm die heimatlich klingende Stimme seines Stellvertreters Tanby eine Reihe zusammenhangloser Botschaften, die jedem, der ihre geheime Bedeutung nicht kannte, vollkommen unsinnig erscheinen mußten. Nachdem er sich das schweigend angehört hatte, knurrte Brock: »Hab ich dich«, und legte auf.
    Zu dem Lehmweg führte eine schmale Holztreppe. Brock stieg hinauf, wie irgendein Tourist. Der ockerfarbene Jeep war verschwunden. Als er den Weg erreicht hatte, kam er an ein paar halbfertigen Ferienhäusern vorbei und stieg dann wieder eine Treppe zur nächsten Ebene hoch, auf der weitere Häuser bereits abgesteckt, aber noch nicht begonnen waren. Dieser zweite Weg war mit Bauschutt und leeren Flaschen übersät. Brock stellte sich an den Rand, ein potentieller Käufer, der die Atmosphäre des Orts in sich aufnahm und sich die Aussicht von hier oben zwischen den noch ungebauten Häusern vorstellte. Die Siestazeit nahte. Kein Fahrzeug, kein Fußgänger, kein Hund. Aus dem Dorf unten schallten die Ermahnungen von zwei konkurrierenden Muezzin, der eine klang gebieterisch, der andere sanft und einschmeichelnd. Der ockerfarbene Jeep erschien in einer roten Staubwolke. Am Steuer saß ein Mädchen mit rundem Kinn, großen klaren Augen und schmuddliger blonder Mähne. Dir Freund, falls er es denn war, saß schmollend neben ihr auf dem Beifahrersitz. Er trug einen Dreitagebart und einen Ohrring.
    Brock sah den Weg hinauf, dann den soeben von ihm erstiegenen Hang hinunter. Er hob eine Hand, der Jeep hielt an, die Hecktür wurde von innen aufgestoßen. Auf dem Rücksitz lag ein Haufen Teppiche, einige gerollt, einige gefaltet. Brock sprang hinein und legte sich mit einer für sein Alter bemerkenswerten Beweglichkeit flach auf den Boden. Der Junge warf die Teppiche über ihn. Das Mädchen steuerte den Jeep mit beeindruckendem Tempo den geschlängelten Weg die Landzunge hinauf und hielt oben auf einem

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