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Polizei hat die Zeugenaussagen mehrerer gutaussehender türkischer Fischer, die unser Freund am frühen Abend an der Küste angesprochen und zu verführen versucht hat«, erklärte der Konsul mit ausdrucksloser Stimme. »Alle haben ihn abgewiesen. Unser Freund war ein verschmähter Homosexueller, ein Alkoholiker, ein flüchtiger Rechtsbrecher. Er hat den Entschluß gefaßt, dem allen ein Ende zu machen. Er hat eine Flasche Whisky gestohlen, bis zum Einbruch der Dunkelheit gewartet und dann aus Gehässigkeit gegenüber den Männern, die seine Annäherungsversuche zurückgewiesen hatten, ein Boot geklaut; dann ist er mit dem Boot aufs Meer gefahren und hat sich erschossen. Die Waffe ist ins Wasser gefallen. Zu gegebener Zeit wird man Taucher danach suchen lassen. Im Augenblick sind zu viele Touristenboote und Kreuzfahrtschiffe im Hafen, da wäre eine solche Tauchaktion fehl am Platz. Woher er die Waffe hatte? Der Kommissar sagt, es sei unerheblich, wo er die Waffe herhabe. Verbrecher sind Verbrecher. Solche Leute finden sich, verkaufen einander Waffen, das weiß doch jeder. Wie er die Waffe auf dem Inlandflug von Istanbul hierher geschmuggelt hat? In seinem Gepäck. Wo sich das Gepäck befindet? Die Ermittlungen laufen noch. In diesem Land bedeutet das, daß sie noch bis zum übernächsten Jahrtausend laufen können.«
Brock wandte sich wieder der Betrachtung von Winsers
»Aber für mich sieht das nach einem Teilmantelgeschoß aus, Harry«, wandte er milde ein. »Das ist keine Austrittswunde, sondern eine Eintrittswunde. Ein solcher Schürfsaum kann eigentlich nur von einem Dum-dum-Geschoß stammen.« »Schürfsaum kann ich nicht«, meinte der Konsul mit kläglicher Stimme, »das kann man nicht übersetzen«, und sah sich unruhig nach seinem Fluchtweg von vorher um.
Der Bürgermeister bekam den nächsten Anfall. Möglich, daß ihm als gewieftem Politiker Brocks Gleichmut verdächtiger erschien als seinen Untergebenen. Er schritt jetzt in dem Kellerraum auf und ab und nahm einen umfassenderen, aggressiveren Standpunkt ein. Die Engländer, beklagte er sich. Wie kämen die Engländer dazu sich einzubilden, sie hätten das Recht, sich hier einzumischen und Fragen zu stellen, wo sie doch selbst für das Unglück dieser Stadt verantwortlich seien? Warum kommt dieser englische Päderast überhaupt in unsere Stadt? Warum geht er nicht in irgendeine andere Stadt und bringt sich dort um? Kalkan? Kas? - Warum muß er überhaupt in die Türkei kommen? Warum bleibt er nicht in England, warum muß er den Menschen die Ferien verderben und unsere Stadt in einen schlechten Ruf bringen?
Aber Brock nahm selbst diese Tirade gutmütig auf. Man sah es an seinem freundlichen Kopfnicken: die Argumente überzeugten ihn, er hatte Respekt vor der türkischen Weisheit und dem Dilemma, in dem man hier steckte. Und diese liebenswürdige Vernünftigkeit blieb auf Dauer nicht ohne Wirkung auf den Bürgermeister, der zuerst einen Finger an die Lippen legte und dann, als Ermahnung an sich selbst, die Fassung zu bewahren, mit der flachen Hand in die Luft schlug, als gelte es ein Kissen auszuklopfen. Der Kommissar jedoch ließ nichts von solcher Selbstbeherrschung erkennen. Er hob kapitulierend die Arme - freilich ohne an Kapitulation zu denken -, machte einen tapferen Ausfallschritt und stimmte, dem Konsul zuliebe in kurzen Sätzen, eine stolze Rede an. »Unser Freund ist betrunken«, übersetzte der Konsul gleichgültig. »Er liegt in dem Boot. Die Whiskyflasche ist leer. Er Wasser. Er liegt wieder, denn jetzt ist er tot. Im Winter finden wir die Waffe.« Brock schien sich das alles mit größtem Respekt anzuhören. »Können wir uns denn das Boot mal ansehen, Harry?« Jetzt legte der Bürgermeister wieder los, mit funkelnden Augen. »Boot war schmutzig! Alles voll Blut! Der Besitzer von Boot war sehr traurig, sehr wütend! Ein sehr abergläubischer Mann, sehr fromm! Hat Boot verbrannt. War ihm egal! Versicherung? Egal!«
Brock schlenderte allein durch die engen Straßen, spielte den Touristen und blieb gelegentlich stehen, um sich in einem Schaufenster irgendwelche Teppiche oder ottomanischen Kunstgegenstände oder sein Spiegelbild anzusehen. Der Konsul war im Büro des Bürgermeisters geblieben, trank Apfeltee und debattierte über technische Angelegenheiten wie Stahlsärge und die Vorschriften, die beim Transport des Leichnams nach Abschluß der Obduktion zu beachten waren. Unter dem Vorwand, er müsse ein Geburtstagsgeschenk für eine nicht
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