Untot in Dallas
Einladung“, sagte ich, als hätte ich mich gerade wieder an meine guten Manieren erinnert. Dann schlenderte ich mit meinem Trinkgeld von dannen, um die wenigen Minuten, die mir noch bis Schichtende verblieben, angestrengt nachzudenken.
Was konnte ich erreichen, wenn ich dort hinging? Würde es mir gelingen, etwas herauszufinden? Etwas, was zur Aufklärung der Umstände von Lafayettes Tod beitrug? Eigentlich konnte ich Andy ja nicht leiden, und Portia gefiel mir mittlerweile noch weniger, aber es wäre nicht fair, wenn Andy wegen einer Sache, an der er keine Schuld trug, vor Gericht stehen müsse und seinen guten Ruf einbüßte. Andererseits würde mir wohl keiner der Partygäste im Strandhaus irgendwelche dunklen Geheimnisse anvertrauen, wenn ich nicht regelmäßiger Gast ihrer Treffen wurde. Das war nur logisch, aber ich wußte genau, daß ich es nicht schaffen würde, dort häufiger hinzugehen. Mir war noch nicht einmal klar, ob ich eine einzige Party würde durchstehen können. Zuzusehen, wie meine Nachbarn und Freunde 'die Sau' rausließen, war ungefähr das letzte, was ich wollte. Weder die Sau wollte ich sie rauslassen sehen noch irgend etwas anderes!
„Was ist denn?“ fragte plötzlich Sam so dicht hinter mir, daß ich vor Schreck einen kleinen Satz tat.
Ich sah ihn an, wobei ich mir sehr wünschte, ich könnte ihn fragen, was ihm selbst gerade durch den Kopf ging. Sam war stark, zäh und sehr klug. Die Buchhaltung, die Bestellungen, alle Reparaturarbeiten, die Planung der Arbeit im Merlottes, das alles schien ihm nie etwas auszumachen. Sam war ein durch und durch eigenständiger Mann, der sein Leben allein meisterte. Ich mochte ihn sehr und vertraute ihm.
„Ich stecke in der Klemme“, sagte ich. „Was läuft bei dir so?“
„Ich bekam gestern einen interessanten Telefonanruf.“
,Ja? Wer hat denn angerufen?“
„Eine Frau aus Dallas mit einer quietschenden Stimme.“
„Ach ja?“ Ich lächelte, ein richtiges Lächeln, nicht das Grinsen, das ich aufsetze, wenn ich nicht will, daß andere mitbekommen, wie nervös ich bin. „Könnte sie mexikanischer Herkunft gewesen sein?“
„Ich glaube schon. Dein Name fiel auch.“
„Sie ist recht lebhaft“, sagte ich.
„Sie hat viele Freunde.“
„Sind das Freunde, die du auch gern hättest?“
„Ich habe schon ein paar sehr gute Freunde“, sagte Sam und drückte mir kurz die Hand. „Aber es ist immer gut, Leute zu kennen, mit denen einen gemeinsame Interessen verbinden.“
„Dann fährst du also nach Dallas?“
„Könnte sein. Erst einmal hat sie mir die Namen von ein paar Leuten in Ruston genannt, die auch ...“
Jedesmal bei Vollmond ihre Erscheinung ändern, vollendete ich den Satz im Geiste.
„Wie hat sie dich denn gefunden? Ich hatte ihr deinen Namen nämlich absichtlich nicht verraten, weil ich nicht wußte, ob dir das recht wäre.“
„Dich hat sie gefunden“, antwortete Sam. „Dann hat sie herausgefunden, wo du arbeitest und wer dein Chef ist. Mit Hilfe hiesiger ... Leute.“
„Wie kommt es, daß du dich nie von dir aus mit denen in Verbindung gesetzt hast?“
„Mir ist jetzt klar, daß es noch sehr viele Dinge gibt, die ich lernen muß, nachdem du mir von der Mänade erzählt hattest“, sagte Sam.
„Sam! Du hast dich doch nicht etwa mit der Mänade herumgetrieben?“
„Ich habe ein paar Abende mit ihr im Wald verbracht. Als Sam und in meiner anderen Haut.“
„Aber sie ist doch so böse!“ sprudelte es aus mir heraus.
Sam versteifte sich. „Sie ist ein übernatürliches Wesen, wie ich“, sagte er ruhig. „Sie ist weder gut noch böse, sie ist einfach nur.“
„Blödsinn!“ Ich konnte es nicht fassen, daß ich mir aus Sams Mund solche Worte anhören mußte. „Wenn sie dir einen solchen Unsinn eintrichtert, dann will sie was von dir.“ Mir fiel wieder ein, wie schön die Mänade gewesen war - wenn einem die Blutflecken nichts ausmachten. Sam als Gestaltwandler scherte sich wohl nicht um derlei. „Oh!“ rief ich dann, denn mit einem Mal war mir alles klar. Sams Gedanken konnte ich zwar nicht klar und deutlich lesen, denn er war ja ein übernatürliches Wesen, aber einen Blick auf seinen Gefühlszustand erhaschte ich schon: Sam war beschämt und geil, ungehalten und - geil!
„Oh“, wiederholte ich ein wenig steif. „Entschuldige, Sam, ich wollte nicht schlecht von jemandem reden, den du ... du ... na...“, 'vögelst' konnte ich ja wohl kaum sagen, egal wie treffend das Wort war. „Mit der du Zeit
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