Untot in Dallas
Dort hatte er robust gewirkt, nicht fett; er war ihr glamouröser vorgekommen, als er in Wirklichkeit aussah, weniger ungepflegt. Aber ich erkannte den Mann durchaus als Re-Bar wieder.
Mir war auch sofort klar, daß irgend etwas mit ihm nicht stimmen konnte. Völlig friedlich und bereitwillig folgte er dem Vampirmädchen ins Zimmer, wobei er jedem Anwesenden ein strahlendes Lächeln schenkte. Das war meiner Meinung nach völlig unangemessen. Jeder Mensch, der wittert, daß ihm Probleme mit Vampiren bevorstehen, macht sich doch Sorgen und fürchtet sich, oder? Ganz gleich, wie rein sein Gewissen sein mag. Ich stand auf und trat zu dem Mann, der mein Näherkommen mit freudiger Erwartung zur Kenntnis nahm.
„Guten Abend, mein Freund“, begrüßte ich ihn leise und schüttelte ihm die Hand. Die ließ ich aber so rasch wieder fallen, wie es die Höflichkeit zuließ. Eilig trat ich ein paar Schritte zurück. Nun wollte ich nur noch zwei Dinge: eine Beruhigungstablette und ins Bett.
„Eins läßt sich ganz klar feststellen“, sagte ich zu Stan. „Er hat ein riesiges Loch im Kopf.“
Stan ließ einen skeptischen Blick über Re-Bars Schädel gleiten. „Erklär mir das“, sagte er.
„Wie geht's, Mr. Stan?“ fragte Re-Bar. Ich hätte wetten können, daß noch nie jemand so mit Stan geredet hatte, zumindest in den letzten fünfhundert Jahren nicht.
„Gut, Re-Bar, und wie geht es dir?“ Ich rechnete es Stan hoch an, daß er so ruhig und gelassen blieb.
„Mir geht es einfach wunderbar!“ erklärte Re-Bar, wobei er baß erstaunt den Kopf schüttelte. „Ich bin der glücklichste Hurensohn der Welt - entschuldigen Sie, meine Dame.“
„Aber sicher.“ Ich mußte mich zwingen, die Worte auszusprechen.
„Was hat man mit ihm gemacht?“ wollte Bill wissen.
„Man hat ihm ein Loch in den Schädel gebrannt“, erläuterte ich. „Ich weiß nicht, wie ich es sonst beschreiben soll. Wie das gemacht wurde, kann ich nicht sagen, denn ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen. Aber als ich anfing, mir seine Erinnerungen anzusehen, stieß ich auf ein großes, ausgefranstes Loch. Als habe Re-Bar einen winzigen Tumor im Leibe gehabt und die Ärzte hätten nicht nur diesen Tumor entfernt, sondern auch gleich noch die Milz und vielleicht auch noch den Blinddarm, nur, um auf Nummer sicher zu gehen. So sieht es in Re-Bars Kopf aus. Ihr wißt doch, wie es ist, wenn ihr die Erinnerungen eines Menschen nehmt und durch ein paar andere ersetzt?“ Ich begleitete meine Worte mit einer entsprechenden Geste, um klarzustellen, daß mit 'ihr' alle Vampire gemeint waren. „Nun, jemand hat ein Stück aus Re-Bars Bewußtsein genommen und nicht ersetzt. Wie bei einer Lobotomie.“ Nun war ich in Fahrt. Ich lese viel, müssen Sie wissen. Die Schule war mir aufgrund meines kleinen Problems schwer gefallen, aber Bücherlesen ganz für mich allein hatte mir kleine Fluchten ermöglicht. Ich glaube, ich kann mich durchaus als Autodidaktin bezeichnen.
„Was immer Re-Bar also über Farrells Verschwinden gewußt haben mag, ist nun fort“, faßte Stan zusammen.
„]a - und dazu noch ein paar andere Komponenten, die Re-Bars Persönlichkeit ausmachten und viele andere Erinnerungen.“
„Ist er noch funktionsfähig?“
„Nun ja, ich schätze schon.“ So etwas war mir noch nie untergekommen; ich hatte nicht im entferntesten geahnt, daß man Menschen so etwas antun kann. „Aber ich weiß nicht, ob er in Zukunft noch in der Lage sein wird, einen effizienten Türsteher abzugeben“, fügte ich hinzu, denn ich wollte versuchen, so offen und ehrlich wie möglich zu sein.
„Der Mann wurde in unseren Diensten verwundet. Wir werden uns um ihn kümmern. Vielleicht kann er nach der Sperrstunde die Bar putzen“, sagte Stan. Ich hörte an seinem Tonfall, wie sehr er wollte, daß ich mitbekam, daß auch Vampire in der Lage sind, Mitgefühl zu zeigen oder sich zumindest fair zu verhalten.
„Das wäre prima!“ strahlte Re-Bar seinen Chef an. „Danke, Mr. Stan.“
„Bring ihn wieder nach Hause“, wies Stan seinen dienstbaren Geist an, woraufhin sich die Vampirin mit dem hirnamputierten Türsteher im Schlepptau auch gleich auf den Weg machte.
„Wer da wohl derart grobe Arbeit geleistet hat?“ murmelte Stan nachdenklich vor sich hin. Bill antwortete nicht. Er war nicht nach Dallas gekommen, um sich zu profilieren. Er sollte in erster Linie auf mich aufpassen und nur dann selbst detektivisch tätig werden, wenn es sich als notwendig erwies. Nun
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