Untot in Dallas
auch nicht um Hilfe bitten, wenn die hier nicht vorhätten, mich umzubringen.
Das verängstigte Barry noch zusätzlich, denn nun war ihm die Verantwortung zu viel, die in dieser Angelegenheit auf seinen Schulten lastete. Ich hätte das mit dem Umbringen einfach nicht sagen dürfen.
Dann schaffte es der Junge, eine zwar wacklige, aber undurchdringliche Mauer zwischen sich und mir zu errichten. Mir war nicht klar, wie er sich verhalten würde.
* * *
Während ich konzentriert mit Barry beschäftigt gewesen war, hatten sich die Dinge auf dem Flur weiterentwickelt, und als ich nun meine Aufmerksamkeit wieder dorthin richten konnte, war Steve zurückgekommen und gab sich nun ebenfalls Mühe, Godfrey gegenüber gelassen und strahlend gutgelaunt zu bleiben.
„Godfrey“, sagte er gerade, „Sie hätten uns doch nur Bescheid sagen müssen, wenn Sie sich gegen die Zeremonie entschieden haben. Letztlich haben Sie sich uns gegenüber zu dieser Sache verpflichtet. Wir haben uns auch verpflichtet; zudem haben wir alle nötigen Schritte unternommen, weil wir darauf vertrauten, daß Sie Wort halten würden. Wenn Sie ihr Versprechen, an der Zeremonie teilzunehmen, nun widerrufen, enttäuschen Sie damit eine ganz Menge Menschen, und zwar erheblich.“
„Was haben Sie mit Farrell, mit dem Mann Hugo und der blonden Frau vor?“
„Farrell ist ein Vampir“, erklärte Steve, als sei damit alles gesagt. „Hugo und die Frau sind Kreaturen der Vampire. Auch sie sollen der Sonne entgegentreten, an einen Vampir gefesselt. Sie haben sich frei entschieden, so zu leben, dann soll es auch im Tod ihr Schicksal sein.“
„Ich bin ein Sünder, und ich weiß es, wenn ich also endgültig sterbe, dann geht meine Seele zu Gott“, sagte Godfrey. „Aber Farrell weiß nicht, daß er ein Sünder ist. Stirbt er, dann gibt es für ihn keine Chance mehr, zu bereuen und zu Gott zu kommen. Das gilt auch für den Mann und die Frau. Auch sie erhalten nicht die Chance zu bereuen, sich von dem Weg abzukehren, den sie eingeschlagen haben. Ist es denn gerecht, die beiden umzubringen und so zu einer Existenz in der Hölle zu verdammen?“
„Wir sollten wohl doch lieber in mein Büro gehen!“ sagte Steve mit Bestimmtheit.
Da wurde mir klar, daß Godfrey es die ganze Zeit genau darauf abgesehen hatte. Ich hörte Füße, die über den Boden scharrten, ich hörte Godfrey ungeheuer höflich „Nach Ihnen“ murmeln.
Er wollte als letzter ins Büro gehen, um die Tür hinter sich schließen zu können.
Mein Haar, das unter der Perücke pitschnaß geschwitzt gewesen war, war inzwischen wieder trocken. Ich hatte, während ich der Konversation auf dem Flur lauschte, leise und vorsichtig sämtliche Haarnadeln aus dem Knoten gezogen, so daß mir die einzelnen Haarsträhnen nun wirr ins Gesicht hingen. Angesichts der Tatsache, daß ich immerhin einem Gespräch lauschte, in dem mein weiteres Schicksal entschieden wurde, war es wohl eine ziemlich banale Tätigkeit, sich mit Haaren und Haarnadeln zu beschäftigen, aber ich war derart nervös, daß ich meinen Händen irgend etwas hatte zu tun geben müssen. Nun steckte ich die Haarnadeln vorsichtshalber in die Tasche, fuhr mir mit den Fingern durch das völlig verfilzte Haar und schickte mich an, mich auf Zehenspitzen aus der Kirche zu schleichen.
Vorsichtig spähte ich auf den Flur. Steves Bürotür war geschlossen, wie ich angenommen hatte; also verließ ich leise und vorsichtig den finsteren Raum, in dem ich mich versteckt gehalten hatte, wandte mich nach links und huschte leise weiter bis zur Tür, die in das eigentliche Gotteshaus führte. Dort angekommen drückte ich ganz sachte die Klinke herunter, um behutsam die Tür zu öffnen. Dann trat ich ins Gotteshaus, in dem es bereits recht dämmrig war. Durch die großen Mosaikfenster fiel gerade genug Licht, um mir den Weg durch den Mittelgang zu beleuchten, so daß ich nicht über eine der Sitzreihen stolpern mußte.
Dann hörte ich Stimmen, die immer lauter wurden und sich aus dem weiter entfernten Gebäudeflügel zu nähern schienen. Die Lichter gingen an. Rasch tauchte ich in eine Sitzreihe und ließ mich unter eine der Bänke fallen. Wenig später betrat eine Familie den Raum, deren Mitglieder alle laut miteinander stritten. Besonders die jüngste Tochter der Familie beklagte sich lauthals darüber, daß sie irgendeine Lieblingssendung im Fernsehen verpaßte, nur weil sie zu solch einer blöden Kirchenveranstaltung gehen mußte.
Wie es sich anhörte,
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