Untot in Dallas
denn?“ erkundigte ich mich daraufhin strahlend bei ihr. „Wir haben einander so lange nicht mehr gesehen.“
„Bei mir gibt es nichts Neues. Immer das Gleiche, du weißt schon.“ Auch sie lächelte, als sie mich von unten herauf ansah, aber in ihren Augen lag eine gewisse Wachsamkeit. Ihr Haar war dunkel, sehr dunkel, bei näherem Hinsehen stellte ich aber fest, daß es nicht ganz schwarz war, dafür dick und rauh und reichlich vorhanden. Die Haut der Frau hatte die Farbe von Sahnekaramel; ihr Gesicht war voller dunkler Sommersprossen. Ihre üppigen Lippen waren verschwenderisch fuchsienrot bemalt, und sie hatte große, weiße Zähne, die mir in einem breiten Lächeln entgegenstrahlten. Ich starrte auf ihre Füße hinab, und richtig: Sie trug flache, rote Schuhe.
„Komm, gehen wir eine rauchen“, sagte die Gestaltwandlerin.
Francie Polk sah aus, als sei sie bereits ein wenig beruhigt.
„Luna, siehst du denn gar nicht, daß deine Freundin dringend zum Arzt müßte?“ fragte sie.
„Stimmt, du hast da ein paar heftige Beulen und Abschürfungen“, befand auch Luna, wobei sie mich prüfend anschaute. „Bist du etwa schon wieder hingefallen?“
„Du weißt doch bestimmt noch, was meine Mama immer sagt: 'Marigold, du bist so ungeschickt wie ein Elefant im Porzellanladen!' “ „Deine Mama!“ Mißbilligend schüttelte Luna den Kopf. „Als ob solche Sprüche helfen würden.“
„Was soll ich machen?“ bemerkte ich achselzuckend. „Würden Sie uns bitte entschuldigen?“
„Aber natürlich!“ sagte Francie. „Ich nehme an, wir sehen uns später?“
„Klar“, erwiderte Luna. „Die Sache heute werde ich mir gewiß nicht entgehen lassen.“
So kam es, daß ich das Versammlungshaus der Bruderschaft der Sonne an Lunas Seite verließ, wobei ich mich ganz und gar darauf konzentrierte, meinem Gang nichts anmerken zu lassen. Francie durfte auf keinen Fall mitbekommen, daß ich humpelte, denn dann wäre sie nur mißtrauischer geworden.
„Gott sei Dank!“ seufzte ich erleichtert, als wir endlich draußen vor der Tür standen.
„Sie wußten, wer und was ich bin“, sagte Luna als erstes, wie aus der Pistole geschossen. „Woher?“
„Ich habe einen Freund, der Gestaltwandler ist.“
„Wie heißt er?“
„Er lebt nicht hier. Ohne seine Einwilligung werde ich Ihnen nicht sagen, wie er heißt.“
Da starrte Luna mich mit einem Blick an, in dem von der Freundschaft zwischen uns beiden, die sie Francie so gekonnt vorgespielt hatte, nichts mehr zu sehen war.
„Das muß ich respektieren“, sagte sie. „Warum sind Sie hier?“
„Warum interessiert Sie das?“
„Immerhin habe ich Ihnen das Leben gerettet.“
Da hatte sie recht, sehr recht sogar. „Also: Ich bin Telepathin, und euer Fürst hier hat mich angeheuert, um das Schicksal eines Vampirs zu klären, der vermißt wird.“
„Schon besser. Aber mein Fürst ist es nicht. Ein Meta mag ich sein, aber ein verdammter Vampir bin ich deswegen noch lange nicht. Mit welchem Vamp hatten Sie denn zu tun?“
„Das muß ich Ihnen nicht sagen.“
Luna zog die Brauen hoch.
„Wirklich nicht!“
Sie öffnete den Mund, als wolle sie schreien.
„Schreien Sie nur! Es gibt ein paar Sachen, die sage ich einfach nicht. Was ist ein Meta?“
„Ein übernatürliches Wesen. Jetzt hören Sie mir mal zu!“ Luna und ich gingen inzwischen über den Parkplatz, auf den mittlerweile ziemlich regelmäßig Wagen einbogen. Luna hatte viel zu lächeln und zu winken, und ich versuchte, zumindest glücklich auszusehen. Aber inzwischen war nicht zu übersehen, daß ich humpelte und daß mein Gesicht, wie meine Freundin Arlene gesagt hätte, anschwoll wie nichts Gutes.
Mein Gott, wie ich mich plötzlich nach Hause sehnte. Entschlossen schob ich das Gefühl beiseite, um mich ganz auf Luna konzentrieren zu können, die mir offenbar allerhand zu erzählen hatte.
„Du kannst den Vampiren ausrichten, wir überwachen das Teil hier.“
„Wer ist denn 'wir' ?“
„ 'Wir' sind die Gestaltwandler im Großraum Dallas.“
„Ihr seid organisiert? He, das ist ja Klasse! Das muß ich unbedingt ... meinem Freund sagen.“
Luna verdrehte die Augen; offenbar war sie nicht sehr beeindruckt von den Leistungen, zu denen mein Verstand imstande war. „Hör mal, Fräuleinchen, du sagst deinen Vampiren, daß auch wir die Bruderschaft auf dem Hals haben, wenn sie erst mal mitkriegt, was es mit uns auf sich hat, und wir haben nicht vor, uns zu erkennen zu geben und Bürgerrechte
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