Untot in Dallas
versuchen können.
Inzwischen redete Polly Blythe mit Engelszungen auf Godfrey ein. Der sagte nicht viel; ich hätte nicht erraten können, was sich in seinem Kopf abspielte. Ich stand hilflos gegen die Wand gedrückt und konnte nur hoffen: daß niemand in dieses Büro kommen würde, daß niemand in den Keller gehen und dann Alarm schlug, daß Godfrey es sich nicht noch einmal anders überlegte.
Hilfe, Hilfe, Hilfe, dachte ich. Wenn ich doch nur mittels meines siebten Sinnes wirklich um Hilfe rufen könnte!
Da kam mir eine Idee. Oder vielmehr noch keine Idee, sondern eher das Schattenbild einer solchen. Meine Beine zitterten, denn ich stand immer noch unter Schock, und mein ganzes Gesicht tat so entsetzlich weh, daß es kaum auszuhalten war - trotzdem zwang ich mich dazu, einfach ganz ruhig dazustehen und mich zu konzentrieren. Vielleicht würde ich ja wirklich um Hilfe rufen können! Barry nämlich, den Hotelpagen! Barry war Telepath wie ich, er sollte mich hören können. Nicht, daß ich je zuvor einen solchen Versuch gewagt hätte - aber ich hatte ja bisher auch keine anderen Telepathen gekannt. Ich versuchte, mir den Stadtplan von Dallas vorzustellen, um herauszufinden, wo ich mich in Relation zu Barry befand. Ich ging davon aus, daß der Junge bei der Arbeit war. Inzwischen war es so spät, wie es bei unserer Ankunft aus Shreveport gewesen war; es konnte hinkommen, wenn er dieselbe Schicht hatte wie am Abend zuvor. Glücklicherweise hatte ich mir, ehe wir am Nachmittag losgefahren waren, mit Hugo zusammen den Stadtplan angesehen - auch wenn ich nun wußte, daß der Anwalt nur so getan hatte, als wisse er nicht, wo sich die Zentrale der Bruderschaft befand. Meinen Berechnungen nach hielt ich mich hier südwestlich vom Silent Shore auf.
Das geistige Terrain, das ich nun betrat, war vollkommen neu für mich. Ich nahm alle Energie zusammen, die mir noch verblieben war und versuchte, sie in meinem Kopf zu bündeln. Eine Sekunde lang kam ich mir lächerlich vor, aber dann sagte ich mir, es könne nichts schaden, lächerlich zu wirken, wenn die Hoffnung bestand, daß ich auf diese Weise den Menschen und dem Ort hier entfliehen konnte. Ich lenkte meine Gedanken in die Richtung, in der ich Barry wähnte. Wie ich das tat, könnte ich nicht genau beschreiben; am besten läßt es sich so erklären, daß ich meine Gedanken projizierte, wobei es half, daß ich den Namen desjenigen kannte, der sie auffangen sollte und auch wußte, wo er sich aufhielt.
Ich entschied mich, einfach anzufangen. Barry Barry Barry Barr y ...
Was wollen Sie ? Er war völlig panisch. Das war ihm noch nie passiert.
Ich habe das auch noch nie getan. Ich hoffte, ermutigend zu klingen. Ich brauche Hilfe. Ich befinde mich in einer üblen Situation.
Wer sind Sie?
Gute Frage! Wie dumm von mir, das nicht gleich klarzustellen. Ich bin Sookie, die blonde Frau, die gestern nacht mit dem braunhaarigen Vampir zusammen eingetroffen ist. Eine Suite im dritten Stock.
Die mit den Titten? Oh, Entschuldigung.
Zumindest hatte er sich entschuldigt. Ja. Die mit den Titten und dem Freund.
Gut, was ist los?
Nun klingt das alles sehr klar und gut durchdacht, aber Barry und ich verständigten uns nicht wirklich mit Worten. Es war eher, als würden wir uns gegenseitig emotionale Telegramme und Bilder schicken.
Wie sollte ich meine mißliche Lage schildern? Bitte sag meinem Vampir Bescheid, sobald er wach ist.
Was dann ?
Sag ihm, ich sei in Gefahr. Gefahrgefahrgefahr .. .
Schon gut, ich habe verstanden! Wo?
Kirche. Ich ging davon aus, daß das als Kurzform für Zentrale der Bruderschaft reichen würde. Ich hätte nicht gewußt, wie ich Barry das hätte übermitteln können.
Er weiß, wo?
Ja. Sag ihm, er soll die Treppe runtergehen.
Sie gibt es wirklich? Ich wußte nicht, daß noch jemand ...
Mich gibt es wirklich. Bitte hilf mir.
In Barrys Schädel tobten die widersprüchlichsten Emotionen, das spürte ich genau. Er fürchtete sich davor, mit einem Vampir zu reden, er hatte Angst, seine Vorgesetzten könnten herausfinden, daß er in seinem Kopf ein 'merkwürdiges Ding am Laufen' hatte, er war froh und erregt, weil es da offenbar noch jemanden gab, der so war wie er. Aber am meisten fürchtete er sich vor dem telepathischen Teil seines Ichs, das ihm nun schon so lange Überraschungen und Ängste beschert hatte.
Mir waren solche Gefühle bekannt. Mach dir keine Sorgen, gab ich Barry zu verstehen, ich kann nachvollziehen, wie dir zumute ist. Ich würde dich
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