Untot, Intrige und viel Tee (German Edition)
unten. Die Gestalten auf dem Marktplatz der Stadt wurden immer kleiner. Der dünne, zerfetzte Umhang klebte nass an seinem Leib, und der kühle Luftzug tat ein Übriges. Jakeed freute sich darüber, dass er sich Sorgen über eine mögliche Lungenentzündung machen konnte. Zufrieden stellte er fest, dass die Hexe neben ihm gen Himmel schwebte. Gen Himmel?
Moment. Was hatte der Geistliche gesagt?
Starke Hände nahmen sich seiner an, als er mitsamt seines Pfahls auf einem fliegenden Himmelbett abgesetzt wurde.
»Ein Himmelbett?«, fragte er bibbernd. Er sah ins Gesicht eines freundlich dreinschauenden, älteren Mannes.
»Meine Frau fand, es passe farblich nicht zur neuen Tapete. Dann habe ich mich nachts damit aus dem Staub gemacht... beste Entscheidung meines Lebend... na, darüber können wir auch später noch ausführlich reden, oder?«
Ein schelmisches Lächeln erschien in den Falten unter den weißen Haaren. »Da ist noch jemand, um den ich mich kümmern muss. Nimm derweil diese Decke hier«, fuhr der Mann fort. Er wollte sich schon abwenden, aber Jakeed hielt ihn fest. »Wie ist dein Name?«
»Man nennt mich Neisetsch Madalak, der Zauberer.«
»Danke, Neisetsch Madalak«, sagte der Gerettete und hüllte sich in die Decke.
»Ach, gern geschehen, sowas ähnliches hab ich schonmal gemacht, damals, in Turfo, nein, wie hieß der Ort doch gleich?«
»Kei... keine Ahnung«, sagte Jakeed zitternd.
»Außerdem«, ergänzte Madalak, »werde ich gut dafür bezahlt.«
Lila Funke Barfosch Tatoko wrang seinen Umhang aus. Seine Hände schmerzten vor Kälte, und er freute sich auf trockene Kleidung, das warme Kaminzimmer und ein Glas heißen Grienbeerwein. Vorher aber musste er dem Ganzfrommen Maladi, dem Oberhaupt der lila Burg von Dervadal, Bericht erstatten. Es bereitete ihm kaum Sorgen, dass seine beiden fein säuberlich vorbereiteten Feuerstellen in der Nässe des überraschenden Eisregens verglüht waren. Auch, dass die Delinquenten spurlos gen Himmel verschwunden waren, bereitete Tatoko kein Kopfzerbrechen – solche Sabotageakte der Grauen waren nicht ungewöhnlich, und in den Kerkern fehlte es nicht an Nachschub. Falls nötig, waren leicht neue Opfer zu beschaffen. Man musste nur in der Umgebung einige Piesel oder Honigkuchen verteilen und fragen, ob jemand vielleicht zufälligerweise eine Hexe oder einen Ketzer gesehen hatte.
Nein, das war alles nicht das Problem, das Tatoko hatte. Maladi wird nicht akzeptieren, was passiert ist, dachte Tatoko. Er wird in endlosen Debatten versuchen, komplizierte Theorien aufzustellen, um den sogenannten wahren Schuldigen zu ermitteln. Mit langwierigen Ermittlungen wird er die ganze Burg von Dervadal in Atem halten.
Zwischen Tatoko und seinem Heißwein standen die gefürchteten Verschwörungstheorien Maladis.
Er klopfte an die Tür und betrat den kleinen Raum, in dem Maladi arbeitete. Ausgeblichene lila Wandbehänge schmückten das Zimmer. Sie verdeckten kaum das grobe, 300 Jahre alte Gemäuer. Hoch und höher stapelten sich Papiere auf den Tischen. Ein anderer Teil der Unterlagen bedeckte den Fußboden. Schwere Vorhänge mit dem Wappen von Dervadal, das an schmutziges Geschirr erinnerte, ließen wie üblich kaum Tageslicht herein. Ungewöhnlich war jedoch, dass zwei fromme Wachsoldaten regungslos im Raum standen.
»Möge dein Licht leuchten, Herr«, entgegnete Tatoko und blieb neben der Tür stehen. »Die Verbrennung konnte nicht stattfinden. Es gab plötzlich einen Eisregen, und dann ...«
»Nun, Tatoko«, grinste das bärtige Gesicht Maladis zwischen Papierstapeln und lila Frommenmütze, »wer ist der Schuldige wohl?«
»Ich ... ich weiß es wirklich nicht«, seufzte Tatoko.
»Hehe«, machte Maladi und hob einen Finger, »dir fehlt der Mut, deine Vermutung zu äußern, dabei bin ich sicher, sie ist richtig, denn wer würde diese klaren Zeichen schon falsch deuten, he? Sie liegen so klar vor uns, dass du sie sicher schon längst eingeatmet hast, als du hierher gekommen bist.«
Tatoko hüstelte. »Herr«, entgegnete er, »deine Weisheit ist grenzenlos.«
»Das will ich meinen, hehe. Nur du und ich kennen die richtige Antwort, ist es nicht so?«
»Herr, ich weiß nicht ...«
»Hehe, das wusste ich, das hat dich endgültig verraten. Natürlich streitest du es ab. Kein anderer als du« – er zeigte mit dem Finger auf Tatoko – »bist der Mann, der die Verdammten gerettet hat. Natürlich gab es gar keinen Eisregen, den hast du erfunden.«
Tatoko
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