Untot - Lauf, solange du noch kannst (German Edition)
Gutes.«
Eine dunkelrote Spur führt von der Pfütze zur Frontseite des Busses. Zusammen lehnen wir uns nach draußen und spähen um die offen stehende Tür.
Vom Café her kommt ein schriller Schrei wie von einem Fuchs, der in einer Falle festhängt.
Ich reiße den Kopf herum.
»Was zum …?« Smitty fährt zurück, knallt gegen mich.
Wieder dieser Schrei, diesmal von näher dran. Ich starre angestrengt ins Schneetreiben hinaus. Eine verschwommene Silhouette bewegt sich darin.
»Schnell!« Smitty ist jetzt hinter mir, beim Fahrersitz. Er reißt an dem Hebel und die Tür faltet sich zu, verfehlt mich um Haaresbreite.
»Hey!«, protestiere ich, dann weiche ich geschockt zurück, als der Schrei direkt an der Tür zu hören ist und jemand laut dagegenwummert und versucht reinzukommen. Durch das Glas sind Babyblau und Gelb zu sehen, ein Büschel blonder Haare und leuchtend rosa Fingernägel, die an der Scheibe kratzen.
»Mach die Tür auf!«, rufe ich Smitty zu.
»Spinnst du?«
»Mach schon!«
Als er nicht reagiert, klettere ich die Stufen hinauf und schlage gegen den Hebel, bevor Smitty mich aufhalten kann.
Die Tür geht auf und das Mädchen wirft sich panisch in den Bus.
»Tür zu, schnell!«, kreischt es.
Ich greife nach dem Hebel, aber Smitty war schneller und die Tür gleitet wieder zu.
Das Mädchen liegt auf den Stufen und keucht. Es ist Alice Hicks. Sie hebt den Kopf und ihr rinnt schwarze Mascara über das hübsche Gesicht.
»Tot!«, kreischt sie. »Sie sind alle tot!«
Kapitel
2
Alice Hicks sieht sogar gut aus, wenn sie auf dem Boden liegt und heult. Wenn ich heule – was zugegebenermaßen alle fünfzig Jahre mal vorkommt –, sehe ich total fertig aus. Knallrotes Gesicht. Winzig kleine Schweinsäuglein und Schnoddernase. Schön auszusehen, während man ein Trauma erlebt, ist wirklich eine Himmelsgabe. Wenn das hier also Ernst ist, dann bin ich nicht bloß geschockt, dann bin ich beeindruckt .
»Tot?«, frage ich. »Was redest du da?«
»Deine Freundinnen sind tot?« Smitty lehnt sich lässig im Fahrersitz zurück. »Das fällt dir erst jetzt auf?«
»Es stimmt!« Ihre Stimme ist ganz zittrig vom Schluchzen. »Im Café. Geht’s euch doch ansehen, wenn ihr mir nicht glaubt!«
»Alles klar.« Smitty springt vom Sitz auf.
»Nein!« Alice drückt sich hoch und sieht ihn an. »Ihr dürft da nicht raus!« Ihre Beine geben nach und sie bricht wieder auf den Stufen zusammen.
»Wieso nicht?« Smitty ist wenig beeindruckt.
»Bleib hier!«, kreischt sie.
Smitty hält sich die Ohren zu und macht eine schmerzerfüllte Grimasse.
Bloß, wie Alice da in ihrer zitronengelben Jogginghose auf den Stufen liegt – den schmutzigen, nassen Stufen … Das ist keine Show, sie glaubt wirklich daran.
Ich schiebe Smitty beiseite und halte ihr eine Hand hin. »Komm, setz dich hierher. Hast du dir wehgetan?«
»Lass ihn bloß nicht an die Tür ran!«, schluchzt Alice und macht sich auf den Stufen breit. Erstaunlich, trotz ihrer Tränen und der babyblauen Skijacke macht sie den Eindruck, als ob man nur schwer an ihr vorbeikommt.
»Okay, dann setzt er sich da drüben hin.« Ich zeige auf einen Sitz ein paar Reihen weiter hinten und sehe Smitty an.
»Ach ja, tu ich das?«, fragt er.
»Ja. Tust du.« Ich beiße die Zähne aufeinander wie jemand, mit dem wirklich nicht zu spaßen ist. Smitty verzieht das Gesicht, fügt sich aber zu meinem Erstaunen. Und noch mehr staune ich, als Alice zulässt, dass ich ihr in einen Sitz helfe. »Und jetzt hol mal tief Luft.« Ich atme selber tief durch. »Und erzähl uns, was du gesehen hast.«
»Ich sag doch, sie sind alle tot .« Sie mahlt mit den Zähnen. »Ich war im Café und bin auf die Toilette gegangen – ja, sogar ich muss da mal hin, Smitty«, knurrt sie, bevor er etwas sagen kann. »Und als ich wieder rausgekommen bin, haben alle irgendwie so quer über den Tischen gelegen … als ob sie eingeschlafen wären. Zuerst dachte ich, das soll irgendein lahmer Witz sein.« Ihre braunen Augen blitzen verächtlich. »Ich meine, hallo, très peinlich, aber dann bin ich rüber zu Libby und Em und Shanika gegangen und hab Em geschüttelt und sie ist runter auf den Boden gefallen.« Ihr Gesicht verzieht sich und dann kommen neue Tränen. »Sie hat nicht geatmet. Niemand hat geatmet!«
»Weißt du das genau?« Ich muss das einfach fragen.
»Und ob ich das genau weiß!«
»Was ist passiert?« Ich kauere mich neben sie. Das kommt so rüber, als ob ich mitfühlend
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