Untot - Lauf, solange du noch kannst (German Edition)
aus an. »Und das stellen wir … wie an?«
»Wir kommen hier schon raus!« Ich gehe auf und ab.
»Boah!«, sagt Alice und schauspielert voll drauflos. »Oh, pardonnez-moi , ich hab das Notausgang-Schild übersehen. Hab ich irgendwas verpasst? Oder kannst du uns hier wegbeamen?«
Ich blicke die Stufen hinauf. Durch die Tür kommen wir nicht. Mir fällt wieder ein, dass der Gang mit den Gefängniszellen so abrupt endet und was Pete über Fluchttunnel gesagt hat, aber dann verwerfe ich diese Idee. Wir sind hier nicht bei den Fünf Freunden . Hier drückt man nicht einfach den dritten Mauerstein von unten, woraufhin sich eine Geheimtür dreht und einen Schmugglergang freigibt. Ist doch eher unwahrscheinlich …
Und dann kommt der Geistesblitz.
Die Kohlenschütte. Die muss ja irgendwo hinführen. Und wenn darauf etwas herunterrutschen kann, dann kann man darauf vielleicht auch nach draußen klettern. Also ich zum Beispiel.
Die kleine Holztür steht einen Spalt offen. Es ist vermutlich Kohle heruntergepurzelt, als Lily und Cam sich da drin versteckt haben, und jetzt schließt die Tür nicht mehr richtig. Ich ziehe sie weit auf und mache mich klein um in den Kohlenkeller zu passen, aber da drin ist es überraschend geräumig und ich kann sogar aufrecht stehen.
»Roberta, du bist ein Genie!«, ruft draußen jemand. Smitty, wer sonst.
Dann sind die anderen zu hören.
»Ich klettere da nicht rauf, das Ding ist total versifft.« (Ratet mal, wer.)
»Ich bleibe mit Cam hier unten.« (Ratet mal, wer.)
»Die Erfolgsaussichten einer Flucht hängen natürlich vom Neigungswinkel der Schütte ab.« (Und ratet noch mal.)
Ich klettere an die Spitze des Kohlehaufens und schaue in die eigentliche Schütte hinauf. Die Öffnung befindet sich oben an der Wand – ungefähr auf Schulterhöhe –, ein bisschen hoch, um da leicht reinklettern zu können, aber nicht unmöglich, sofern ich etwas zum Darunterstellen auftun kann. Ist ganz schön dunkel da drin, aber in der Ferne ist eine waagerechte weiße Linie zu sehen, als ob die Tür oben einen Spalt auf ist.
»Wo ist die Taschenlampe?«, rufe ich im Umdrehen und fahre erschrocken zusammen. Smitty kauert hinter mir.
»Längst da.« Er schaltet sie ein und leuchtet die Schütte hinauf. Sie ist vielleicht zweieinhalb Smittys lang, aber Junge, ganz schön eng. Ich gehe dichter heran, um besser sehen zu können, und stoße mir an irgendwas das Schienbein.
»Autsch. Da ragt was aus der Wand.«
Smitty leuchtet nach unten und wir sehen drei rostige Sprossen, eine über der anderen. Tritte. Anscheinend musste hier schon öfters jemand hinaufklettern, vielleicht um einen Stau zu beseitigen. Irgendein armer Küchenjunge oder Schornsteinfeger vielleicht. Er muss ganz schön dünn gewesen sein, um das zu schaffen; andererseits waren sie damals alle unterernährt und eher klein.
Ich bin nicht unterernährt – also jetzt vielleicht schon, aber noch nicht lange. Dünn bin ich jedenfalls. Ich stelle meinen Fuß auf die erste Sprosse und will da hoch.
»Nee, lass mich«, sagt Smitty.
»Du passt da nie rein«, kontere ich.
»Und ob. Und danach zieh ich dich hoch.«
»Ich brauch niemanden, der mich hochzieht.« Ich funkele ihn im Dunklen an und stelle wieder meinen Fuß auf die Sprosse.
»So ein Pech aber auch.« Er drückt mir die Taschenlampe in die Hand, schlingt von hinten ein Bein um mein Knie und bringt mich aus dem Gleichgewicht. Dann gibt er mir einen kleinen Schubser und – schwups – falle ich auch schon nach hinten und lande mit dem Hintern knirschend auf den Kohlen.
»Hey!«, rufe ich, aber da wieselt er schon die Schütte hinauf. Jedenfalls ein Stück weit. Dann hält er an. Er windet sich und versucht sich weiter hochzuschieben, wirbelt aber mit den Füßen nur Kohlenstaub auf. Er schafft es, sich auf den Rücken zu drehen, und versucht es so herum noch mal, indem er sich mit den Beinen verkeilt und abstößt. Aber es hat keinen Zweck. Er steckt fest.
»Probleme?«, frage ich.
Er seufzt. »Wie sich leider rausstellt, bin ich viel zu breitschultrig und muskulös für diese Aktion.«
»Verstehe. Ein Jammer.« Ich komme ihm keinen Fingerbreit entgegen. Genauso wenig wie die Kohlenschütte.
»Wie es aussieht, brauche ich sogar Hilfe, um hier wieder rauszukommen.«
»Wow.« Ich lasse mir das auf der Zunge zergehen. »Smitty braucht Hilfe? Das muss dich ja echt schmerzen …«
Er versucht sich nicht reizen zu lassen. »Nein, im Gegenteil.«
»Was ist denn los da
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