Untot - Lauf, solange du noch kannst (German Edition)
ein Haufen blöder Teenies.«
Er dreht sich auf dem Stuhl um und sieht mich an.
»Du bist Amerikanerin, stimmt’s?«
Ich zucke die Achseln. »Nein. Ja. Sozusagen.«
Sein Gesicht nimmt einen verträumten Ausdruck an. »Ich liebe Amerika. Ich habe Verwandte da drüben, in New Jersey. Wenn das hier alles vorbei ist, wandere ich aus.« Er nickt und lächelt mich an. Anscheinend glaubt er, dass ich das toll finde und jetzt klatsche. Oder die amerikanische Nationalhymne anstimme. Als ich nichts davon tue, fährt er fort: »Amerikaner wissen Talent zu schätzen, weißt du. Nicht so wie hier. In Amerika geben sie einem den Spielraum und das Geld, um das zu tun, wozu man auf der Welt ist. Hier geht es nur um Vorschriften und darum, wer deine Eltern sind und auf welche Schule du gegangen bist.« Er linst zu mir rüber. »Ich wette, es fehlt dir, oder? Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten?«
Ich sehe ihn an. »Versuch nicht eine Beziehung zu mir aufzubauen.«
Am anderen Ende des Korridors ist etwas zu hören. Smitty kommt, aber irgendwas stimmt nicht. Als er ganz aus den Schatten tritt, sehe ich, dass Michael ihm die Hände auf dem Rücken festhält – genauso wie er vorhin bei Shaq. Himmel. Smitty stolpert; sein eines Auge ist geschwollen und Blut läuft ihm das Gesicht herunter. Und Grace ist auch dabei, den elektrischen Viehtreiber in der Hand. Hinter ihnen her trapsen Pete, Alice und Lily mit dem weinenden Cam auf dem Arm und sie sehen alle aus wie verängstigte Lämmer auf dem Weg zur Schlachtbank.
»Mach die Zelle auf!«, schnauzt Michael mich an.
Ich umschließe den kleinen Schlüssel in meiner Faust noch fester.
Grace tritt vor. »Nun mach. Bringen wir das hinter uns wie zivilisierte Leute.«
In mir steigt Hitze auf. Ich nicke in Smittys Richtung. »Nennst du das etwa zivilisiert?«
Grace macht ein leicht verlegenes Gesicht. »Er hat Michael wirklich keine andere Wahl gelassen. Aber jetzt wird es keine weiteren Prügeleien mehr geben«, sie schaut Michael an und dann wieder zu mir, »weil du Shaq rauslassen wirst, oder?«
»Nicht solange ihr uns nicht auch rauslasst.« Ich halte ihrem Blick stand. Mich bringt sie mit ihrer perfekten Haut und ihrer samtigen Stimme nicht aus dem Konzept. »Wir haben euch nichts getan. Warum müsst ihr uns überhaupt hier unten gefangen halten?«
»Schließ die Tür auf!«, schreit Michael mich an und wirft Smitty zu Boden, wo er stöhnend liegen bleibt.
»Nein!« Ich sehe ihm ins Gesicht und baue naiverweise darauf, dass er es nicht wagen wird, ein Mädchen zu schlagen, zumal als Erwachsener.
Aber ich habe nicht mit Grace gerechnet. Sie tritt neben Smitty und schockt ihn mit dem Stab. Er schreit auf und zappelt auf dem Boden wie ein Fisch, der nach Luft schnappt. Grace starrt mich vorwurfsvoll an, als wäre ich es gewesen, die ihm wehgetan hat. Sie klopft mit ihrem Stab gegen das Gitter.
»Wo ist der Schlüssel?«
»Sie hat ihn in der Hand!«, ruft Shaq.
Ich trete an die Wand zurück, meine Faust hinter dem Rücken, und Michael stürzt auf mich los.
»Stopp!«, ruft Grace. »Es besteht wirklich kein Grund, ihr Angst zu machen.« Sie richtet die Spitze des Stabes nach unten auf Smitty, fährt damit langsam an seinem Körper herunter, bis sie genau zwischen seine Beine zeigt. Smitty reißt die Augen auf.
»Lass dich nicht erpressen, Bobby!«, grunzt er.
Grace senkt langsam und bedächtig die Spitze.
»Hier!« Ich halte den Schlüssel hoch, gerade rechtzeitig, um Smitty zu retten, der die Augen geschlossen hat und hörbar schluckt.
Michael schnappt sich den Schlüssel und dreht ihn im Schloss und – schwupp – ist Shaq draußen und Grace stößt mich in die Zelle, gefolgt von Pete, Lily und Cam. Dann schleudert Michael noch Smitty herein.
Alice steht immer noch draußen. Grace deutet in die Zelle.
»Nein!«, heult Alice. »Ich lasse mich da nicht einsperren mit diesem Vieh!« Sie weicht zurück, aber Michael packt sie und schleudert sie Richtung Zelle. Sie kann sich an den Gitterstäben festhalten und für einen Moment bekommt er sie nicht vom Fleck bewegt. Dann lässt sie plötzlich los, schwingt sich herum und lässt eine Hand durch die Tür vorschnellen. Sie ist jetzt bei uns in der Zelle und Michael knallt die Tür zu, aber dann sehe ich, worauf sie aus war. Sie hat den Schlüssel abgezogen.
Eine Sekunde später begreift Michael es auch. Er öffnet die Tür und nähert sich Alice, aber sie ist zu schnell. Wie ein hungriges Nilpferd hält sie den
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