Untot mit Biss
Schnitt«, sagte Mircea ruhig. »Jederzeit und bei jeder beliebigen Person. Ein kurzes Anrempeln in der U-Bahn, ein Händedruck …« Sein Blick glitt zu mir. »Oder angenehmere Dinge.
Alles gibt uns Gelegenheit, Nahrung aufzunehmen.«
Ich begegnete Mirceas dunklem Blick, und für eine Sekunde stockte mir erneut der Atem – diesmal kämpfte ich gegen meinen eigenen Körper an und nicht gegen die Macht von jemand anders. Niemand hätte solche Augen haben sollen:
Sie schienen das Geheimnis aller Träume zu kennen, die man jemals gehabt hatte, und in der Lage zu sein, jeden Wunsch zu erfüllen. Seine Hand, die mich noch immer berührte, stimulierte plötzlich, anstatt zu beruhigen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich und zeigte etwas, das mein Gehirn nicht ganz verstand, vom Körper aber für sehr erotisch gehalten wurde. Ich musste mich an den Armlehnen des Stuhls festhalten, um mich nicht in seine Arme zu werfen. Verdammt, so etwas hatte ich gewiss nicht erwartet.
Nach einem Moment trat Mircea beiseite, und ein Teil des warmen Stroms in mir löste sich auf, doch das Verlangen blieb. Das Problem bestand nicht nur darin, dass er von der Konsulin vielleicht angewiesen wurde, mich zu töten – ich konnte nicht sicher sein, wie viel von dem, was ich fühlte, wirklich real war und wie viel Mircea in mich projiziert hatte. Ich erinnerte mich an den ersten Abend mit Tomas, an seinen Versuch, mich zu verführen. Es erschien mir kaum vorstellbar, dass ich ihn mit meinem Winnie-the-Pooh-Handtuch so sehr erregt hatte, woraus sich die Frage ergab: Hatte Tomas im Auftrag des Senats gehandelt? Und war das jetzt auch bei Mircea der Fall?
Ich wusste, dass Tomas mich nicht hatte berühren müssen, um Nahrung von mir aufzunehmen. Ein Meister brauchte dafür keinen taktilen Kontakt – diesen Hinweis hatte sich Mircea Pritkin gegenüber gespart. Jeder von ihnen hätte die Kraft meines Lebens von der anderen Seite des Raums aufnehmen können: mikroskopisch kleine Partikel, vom bloßen Auge nicht zu sehen, die von mir zu ihnen schwebten, ohne dass jemand anders etwas von ihnen bemerkte. Und wenn sie so gut waren wie Mircea, würde nicht einmal ein Fleck oder so darauf hinweisen, dass sie Blut gestohlen hatten. Auf diese Information hätte Pritkin vermutlich nicht besonders gut reagiert; er war schon jetzt der Panik nahe und sah aus wie jemand, der sich nach dem Erwachen aus einem Traum in der Gesellschaft von Ungeheuern wiederfand.
Ich hätte ihn beruhigen können, wenn er bereit gewesen wäre, mir zu glauben. Die meisten Vampire hätten ihm kaum Lebensenergie nehmen können, denn seine Schutzzauber stellten eine zu starke Barriere dar – für Rafes Demonstration wäre es nötig gewesen, sie zu senken –, und seine magischen Sinne hätten ihn vermutlich auf eine Gefahr hingewiesen. Doch ein Normalo bemerkte gar nichts, abgesehen vielleicht von ein wenig Benommenheit. Bissmale hinterließen Vampire nur in Filmen oder wenn sie ein deutliches Zeichen setzen wollten. Tony würde bestimmt bald entsprechend markierte Körper bekommen.
Louis-Cesar fand, dass Mircea für einen Tag genug Spaß gehabt hatte. »Wenn Sie so sehr an unseren Gepflogenheiten interessiert sind, Magier Pritkin, so kann ich Ihnen einige sehr gute Abhandlungen empfehlen. Derzeit sollten wir uns um wichtigere Dinge kümmern.« Er sah seinen Kollegen an. »Der Tag vergeht, und bald beginnt eine neue Nacht. Können wir fortfahren?« Mircea neigte den Kopf, streifte die Anzugjacke ab, legte sie auf den Tisch und nahm dann elegant auf der Couch Platz. Er löste auch den obersten Knopf seines Hemds, als wäre es ihm plötzlich zu warm geworden. Das Hemd bestand aus chinesischer Seide und wies kleine Schlaufen auf. Der Stoff hatte einen grünlichen Glanz, der den Wunsch weckte, mit der Hand darüberzustreichen und festzustellen, ob er wirklich so weich war, wie er aussah. Ein Muster hatte das Hemd nicht, und der Anzug war ebenso schlicht, zeigte ein einfaches Schwarz, das bei Mircea jedoch sehr stilvoll wirkte. Ich verglich ihn mit einem unscheinbaren Rahmen, der ein gutes Gemälde umgab: Die Gesamtwirkung war bemerkenswert.
Ich bewegte mich in meinem Bademantel und musste Mircea recht geben – es war tatsächlich etwas zu warm geworden.
Pritkins Haut hatte die Farbe alter Pilze angenommen. Er schien über das Gehörte nachgedacht und Schlüsse daraus gezogen zu haben, die ihm nicht gefielen. »Können Sie auf diese Weise weitere Vampire schaffen?«, fragte er
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