Untot mit Biss
Mircea. »Können Sie Ihre Opfer rufen?«
Ich biss mir auf die Lippe.
Pritkin schien in der Schule gefehlt zu haben, als Vampire auf dem Stundenplan gestanden hatten. Angesichts seiner Unwissenheit erschien es mir sonderbar, warum der Silberne Kreis ausgerechnet ihn als Verbindungsmann zum Senat geschickt hatte. Den Gesprächen der Magier bei Tony hatte ich entnommen, dass es bei Kriegsmagiern unterschiedliche Abteilungen gab, zuständig für die einzelnen Gruppen von Nichtmenschen: Vampire, Wer-Wesen, Dämonen, Elfen und magische Geschöpfe wie Drachen. Ich fragte mich, worin Pritkins Spezialität bestand.
Louis-César musterte ihn mit gerunzelter Stirn und stellte sich vielleicht die gleiche Frage. Mircea streckte theatralisch die Hand nach mir aus. »Komm zu mir, Cassandra!«, donnerte er. »Ich befehle es dir!« Der normalerweise sehr leichte Akzent wurde so schwer, dass er fast wie Bela Lugosi klang. Ich lächelte unwillkürlich. Mirceas Sinn für Humor galt als berüchtigt, aber wenigstens vertrieb er einen Teil der Anspannung.
Ich machte es mir auf dem weichen Lehnstuhl gemütlicher. »Danke für das Angebot, aber ich habe es hier recht bequem.« Die Couch erschien mir viel verlockender, und gerade deshalb war es eine gute Idee zu bleiben, wo ich war. Ein Teil meines Problems bestand aus den Nachwirkungen der Nahrungsaufnahme, aber Mircea hätte selbst eine Heilige in Versuchung geführt. Ich brauchte keine weiteren Komplikationen, erst recht nicht mit einem Senatsmitglied. Vielleicht mochte er mich wirklich, doch letztendlich würde er tun, was der Senat von ihm verlangte. Das galt für sie alle. Mircea verspottete Pritkin. »Sehen Sie, mein Freund? Nichts. Sie verschmäht mich. Meine Anziehungskraft muss geringer sein, als ich dachte.«
»Nur ein Biss gibt uns die Möglichkeit, jemanden von Ihnen zu rufen«, sagte Tomas. Er sah zu mir, und seine Augen enthielten ein Gefühl, das ich nicht zu deuten wusste.
Ich schwieg, da ich keine Debatte beginnen wollte, doch die Wahrheit lautete: Selbst wenn ich von Mircea gebissen worden wäre, es hätte vermutlich keinen Unterschied gemacht. Vampire konnten die meisten Normalos durch ihren Biss kontrollieren: Einer genügte oft, zwei genügten immer, und nach dem dritten wurde das Opfer zu einem Vampir, der an seinen oder ihren Meister gebunden war. Aber Tony hatte mich zweimal gebissen, um sich meiner Loyalität zu versichern, einmal als Kind und dann erneut nach meiner Rückkehr zu ihm als Teenager. Aber wenn er versucht hatte, mich zu rufen – und das hatte er garantiert –, so war ihm ein Erfolg versagt geblieben.
Ich vermutete, dass mein ständiger Kontakt mit Geistern das Signal unterbrach. Billy Joe weilte fast immer bei mir, und ich trug die ganze Zeit über seine Halskette, die uns selbst dann verband, wenn wir voneinander getrennt waren.
Und Vampire konnten keine Geister wahrnehmen. Um die Vereinbarung mit mir zu schließen, hatte Billy Joe daraufhingewiesen, dass er mit etwas Glück eine Art von spiritueller Interferenz bewirken würde. Vielleicht war es tatsächlich dazu gekommen, oder vielleicht gehörte ich zu den wenigen Personen, die eine natürliche Immunität dem Ruf gegenüber aufwiesen. Ich bezweifelte es, denn für gewöhnlich war so etwas nur bei besonders mächtigen magischen Anwendern der Fall, aber es geschahen seltsamere Dinge. Zum Teufel auch, ich bekam es die ganze Zeit über mit seltsameren Dingen zu tun. Mircea sah mich mit übertriebener Sehnsucht an, und ich lächelte. »Sie können jederzeit zu mir kommen.« Ich bereute die Worte, kaum hatte ich sie ausgesprochen. In seiner Präsenz war es fast unmöglich, einen kühlen Kopf zu bewahren, und unter den gegenwärtigen Umständen brauchte ich alle meine Fähigkeiten. Aber ich hätte mir keine Sorgen machen müssen. Mircea schien das Angebot für ein oder zwei Sekunden in Erwägung zu ziehen, lächelte dann und schüttelte den Kopf.
»Das ist sehr nett von dir,
Dulceatà,
aber auch ich habe es hier recht bequem.« Er sah zu Tomas. »Vielleicht später.«
Louis-César trat vor mich, während Tomas Pritkin zum Platz an der Tür zurückbrachte. Der Franzose wirkte ein wenig angespannt. So wie ich ihn kannte, wäre es bei jemand anderem auf einen hysterischen Anfall hinausgelaufen.
»Mademoiselle,
wenn Sie mir kurz Ihre Aufmerksamkeit schenken würden … Ich weiß, dass Sie müde sind und diese Erfahrung belastend für Sie war, aber bitte versuchen Sie, sich zu konzentrieren.« Ich
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