Untot mit Biss
Streit.«
»An Streitereien liegt mir nichts«, erwiderte ich, was der Wahrheit entsprach. Ich hätte gern etwas nach Tomas geworfen, möglichst etwas Schweres. Aber dadurch bekam ich keine Antworten, und derzeit brauchte ich Informationen dringender als Rache. »Na schön. Sorg dafür, dass er mir nicht zu nahe kommt.«
»Einverstanden. Tomas, wenn du bitte so freundlich wärst …« Tomas schien zuerst Einwände erheben zu wollen, überlegte es sich dann aber anders, wich einen Meter zurück und blieb dann störrisch stehen. An Mirceas Stelle hätte ich meinen Worten Nachdruck verliehen, aber wahrscheinlich hätte Tomas gesagt, dass er in der Nähe von Pritkin bleiben musste. Das war mir durchaus recht, und deshalb schwieg ich.
Mircea seufzte und legte erneut die Hand unter mein Kinn. Diesmal verlor er keine Zeit. Seine Finger strichen mir über den Hals, und ich fühlte den Ruf seiner Macht. Die Berührung war ganz sanft, doch ich erbebte, als warme Wonne durch meinen Leib strömte und etwas von dem Schock durch Tomas’ Gebaren vertrieb. Meine Haut prickelte, und ein Dunst aus funkelnder, köstlicher Energie stieg zwischen uns auf. Ich wusste plötzlich, welche Zauberschranken Billy Joe zuvor durchbrochen hatte und von wem die geliehene Kraft stammte, mit der wir dem Angriff beim Dante’s begegnet waren. Dies war das gleiche schwindelerregende, perlende Sekt-mit-Eis-Gefühl, das ich im Kasino gehabt hatte, eine berauschende Mischung aus Verlangen, Gelächter und Wärme, die fast sofort süchtig machte. Eigentlich hätte ich mich über die Zauber ärgern müssen, mit denen er meine Möglichkeiten eingeschränkt hatte, aber niemand konnte in einem solchen Gefühl baden und an Arger festhalten. Das war schlicht und einfach unmöglich. Es flutete über mich wie Sonnenschein, der feste Form gewann, und ich lachte voller Staunen. Mircea zuckte zusammen, als sich unsere Energien vermischten, und dann rührte er sich nicht mehr. Ich nahm es kaum zur Kenntnis. Es fühlte sich an, als berührte er weitaus Intimeres als meinen Hals, und für eine Sekunde glaubte ich tatsächlich, dass der Bademantel verschwunden war und eine warme Hand meinen ganzen Körper liebkoste. Ich versuchte zu schlucken, doch mein Mund war trocken, und ich spürte ein Pulsieren an zarten, weichen Stellen. Plötzlich erinnerte ich mich an einen lange zurückliegenden Abend. Mircea und ich lagen auf dem Diwan in Tonys Arbeitszimmer, und er strich mir übers Haar, während er mir eine Geschichte erzählte. Bei jenem Besuch hatte ich mehr Zeit mit ihm verbracht als Tony, die Hälfte davon auf seinem Schoß, doch auf diese Weise hatte ich nicht reagiert. Natürlich war ich damals erst elf gewesen. Jetzt auf seinem Schoß zu sitzen, gewann eine ganz neue Bedeutung. Mirceas Gesicht zeigte einen seltsamen Ausdruck, fast so etwas wie Verwirrung, als hätte er mich nie zuvor gesehen. Er musterte mich, hielt nach Hinweisen Ausschau, nahm dann meine Hand und beugte sich darüber. Ich spürte kurz seine Lippen, und dann ließ er mich los und trat zurück. Die ganze Sache hatte nicht länger als zehn Sekunden gedauert, aber ich blieb atemlos und für einige Momente auch mit gebrochenem Herzen zurück, als hätte man mir das kostbarste Etwas in meinem Leben genommen. Ich war versucht, sehnsuchtsvoll die Arme nach ihm auszustrecken, hielt mich aber gerade noch rechtzeitig zurück. Stumm saß ich da, starrte ihn an und versuchte, mich wieder zu beruhigen.
Ich hatte vergessen, dass die Nahrungsaufnahme von Vampiren weitaus persönlicher war als das, was Billy machte. An diesen Aspekt mit Mircea hatte ich nicht gedacht, was mich jetzt erstaunte. Er hatte das Charisma, für das seine Familie berühmt war, seine Macht genügte für einen Sitz im Senat, und es gab keinen Zweifel an seiner maskulinen Schönheit. Natürlich hatte ich nie Dracula kennengelernt, der lange vor meiner Geburt gestorben war, auch nicht den unglücklichen Radu, aber als ich Mircea ansah, begriff ich, warum seine Familie legendär geworden war. Wenn man einem von ihnen begegnete, so vergaß man es nicht, ganz gleich, mit welchem Zauber versucht wurde, die Erinnerung zu trüben.
Ich sah auf und bemerkte Tomas’ finstere Miene – sein Blick ging zwischen Mircea und mir hin und her. Worin bestand jetzt sein Problem? Es war vorbei. Dann betrachtete ich mein Spiegelbild und stellte fest, dass sich meine Augen getrübt hatten. Die Wangen glühten, und der Mund stand ein wenig offen. Ich sah aus,
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