Untot mit Biss
hoch.
»Ich habe keinen Körper gestohlen …«
Pritkin unterbrach mich mit einer abrupten Geste. »Etwas Ähnliches habe ich schon einmal gesehen: ein Geschöpf, das andere Leben übernimmt und sie für seine eigenen Zwecke benutzt.« Er versuchte, sich an Tomas vorbeizuschieben, doch das gelang ihm nicht. Es schien ihn mit Zorn zu erfüllen, und über Tomas’ Schulter hinweg rief er mir zu: »Es ist die dunkelste Magie, die nur den schlimmsten aller Dämonen zur Verfügung steht! Es war richtig vom Kreis, mich hierher zu schicken. Er wusste, dass ich begreifen würde, wer Sie wirklich sind. Wie viele Leben haben Sie gestohlen, Seherin? Wie viele Morde sind nötig gewesen, um Ihre erbärmliche Existenz zu sichern?« Ich stand auf, und Louis-Cesar hielt mich nicht zurück. »Ich heiße Cassie Palmer und kann das mit einer Geburts-Urkunde beweisen. Ich laufe nicht herum und stehle Körper. Ich bin kein verdammter Dämon!« Ich sah Mircea an, der alles so beobachtete wie die meisten Leute eine unterhaltsame Show. »Warum muss ich immer wieder darauf hinweisen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich sage es seit Jahren,
Dulceatà,
und niemand glaubt mir.«
Pritkin nutzte diesen Moment, in dem alle abgelenkt waren, um durchzudrehen. Aus dem Nichts rasten seine magischen Messer auf mich zu. Ich hatte nicht mit einem Angriff gerechnet und stand wie blöd da, mit offenem Mund. Tomas war schnell wie der Blitz, fing aber nur zwei der Messer auf. Zwei weitere sausten an seinen Armen vorbei und hielten direkt auf mich zu. Mir blieb keine Zeit, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn, etwas zu meiner Verteidigung zu unternehmen. Ich fühlte, wie mein Schutzzauber aktiv wurde, wusste aber nicht, ob er gegen Zauberwaffen wirkte. Eine Sekunde später wusste ich es noch immer nicht, denn die Messer steckten vibrierend im Oberkörper des Golems. Ich starrte das Geschöpf verblüfft an, bis mir klar wurde: Es stand noch immer unter dem Befehl, mich zu schützen. Der Magier brüllte ihn an und forderte den Golem auf, aus dem Weg zu gehen, aber zu diesem Zeitpunkt hatte Tomas ihn bereits gepackt.
Ich weiß nicht, ob Tomas es schon einmal mit Kriegsmagiern zu tun gehabt hatte, aber er unterschätzte diesen. Eine der kleinen Ampullen des Magiers flog auf seinen Kopf zu und bespritzte ihn mit einer roten Flüssigkeit, die wie Blut aussah, aber wie Säure ätzte. Tomas ließ ihn nicht los, doch das Zeug geriet ihm in die Augen und nahm ihm vorübergehend die Sicht. Pritkin machte eine seltsame Geste – es sah aus, als zöge er an einem unsichtbaren Seil –, und die beiden Messer lösten sich aus dem Oberkörper des Golems und kehrten zu ihm zurück. Eins traf Tomas am Bein, und das andere schnitt ihm fast die linke Hand ab. Er sank auf ein Knie, und Pritkin gelang es, sich von ihm zu lösen. Er wich einem von Louis-Césars geworfenen Messer aus, sprang beiseite, als Tomas ihn erneut packen wollte, und richtete beide Pistolen auf mich. Ich dachte nicht, sondern handelte, und vermutlich kam ich deshalb mit dem Leben davon. Meine Hand schoss nach oben, und zwei geisterhafte Messer flogen Pritkin entgegen und stießen ihm die Pistolen aus den Händen, als er schoss. Es gelang ihm, mehrere Kugeln auf die Reise zu schicken, aber sie verschwanden im Ton des Golems, ohne Schaden anzurichten. Ich sah das Geschöpf überrascht an. Es wirkte schwerfällig, konnte aber erstaunlich schnell sein. Auf ein Wort seines zornigen Gebieters hin stob es davon, war plötzlich auf der anderen Seite des Raums und kämpfte dort gegen Louis-César. Der Franzose bohrte ihm immer wieder das Rapier in den Leib, doch dort gab es keine lebenswichtigen Organe. Er wich den Hieben des Golems aus, obgleich sie so schnell kamen, dass ich sie nur schemenhaft sah, aber das künstliche Wesen trieb ihn langsam zurück und fort vom Kampf. Pritkin rief erneut etwas und sprang mir mit einer Handgranate entgegen. Tomas jagte wie von einer Kanone abgefeuert heran, verharrte mitten in der Luft, fiel zu Boden und rührte sich nicht mehr. Einen Sekundenbruchteil später erfuhr ich den Grund dafür, als ich mich von einer riesigen unsichtbaren Hand gepackt fühlte – sie hielt mich fest und sorgte dafür, dass sich auch das Armband nicht mehr bewegte. Es ähnelte dem Trick, den der dunkle Magier verwendet hatte, und diesmal gab es niemanden, der ihn neutralisierte. Pritkin setzte über Tomas hinweg und wich Rafe aus, der ebenfalls von dem Zauber erfasst worden war. Alles
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