Untreu
Geräusch des Spatens, der auf harte Erde traf, durchschnitt die kalte Luft. Paula Svatek starrte, in ihre Jacke gehüllt, mit leicht geöffneten Lippen auf den Polizisten, der sich vor ihr abmühte. Ihr rotes Haar war wie ein Farbklecks im grauen Tageslicht. Mona betrachtete die abgeernteten Stoppelfelder hinter Paula Svatek, die imposanten, wie mit schwarzer Tusche gezeichneten Strommasten, die sich bis zum Horizont der welligen Landschaft erstreckten. Seltsam, hier zu wohnen, dachte sie. Hier befand sich weit und breit kein anderes Haus außer das von Paula Svatek, und es gab nicht einmal eine Straße, nur eine Schotterpiste.
»Geht's?«, fragte Mona den Polizisten. Sie hauchte in die kalte Luft, ein Dampfwölkchen bildete sich vor ihren Lippen. Der Mann antwortete nicht. Sein Gesicht war rot und sah zornig aus, aber das lag vielleicht an der Anstrengung. Immer wieder stieß er erfolglos den Spaten in die Erde, die hart schien wie Beton. Und dennoch konnten selbst Unkundige sehen, dass hier vor kurzem gegraben worden war, obwohl sich jemand die Mühe gemacht hatte, einen Schwung Herbstlaub über der verräterischen Stelle zu verteilen.
Mona wandte sich ab und ließ ihren Blick schweifen. Außer ihr, Paula Svatek und dem Polizisten war kein Mensch zu sehen, nicht einmal ein Auto zu hören. Nur einige Saatkrähen saßen stumm auf den Strommasten, als würden sie auf etwas warten.
»Ich brauche eine Spitzhacke oder so was in der Art«, sagte der Polizist, und Mona drehte sich wieder zu ihm um. Er hatte aufgehört, den Boden zu malträtieren, und stützte sich auf die Schaufel. Seine Uniformmütze lag achtlos auf der Erde, und trotz der Kälte wischte er sich Schweiß von der Stirn. »Ich schaff's anders nicht.«
»Haben Sie eine Spitzhacke?«, fragte Mona Paula Svatek. Die sah sie, wie aus einem Traum erwacht, an. Mona wiederholte ihre Frage.
»Was? Oh ja. Ich seh mal nach.« Paula Svatek lief mit unsicheren Schritten zum Haus, das fast völlig mit Efeu überwuchert war und von weitem beinahe romantisch wirkte. Kam man näher heran, sah man die Risse in den jahrzehntealten Mauern und die abblätternde Farbe an den verzogenen Fensterrahmen. Altsubstanz hieß das in der Maklersprache, im Klartext: nur noch gut zum Abriss. Paula Svatek verschwand hinter der schweren, dunkelbraun gebeizten Haustür und kam kurze Zeit später mit einer Spitzhacke zurück. Ihre Blässe hatte sich noch vertieft, sie sah beinahe krank aus.
»Geht's Ihnen nicht gut?«, fragte Mona.
»Doch.« Aber das Gesicht der Frau sagte etwas anderes. Mona fand sie verwirrend. Ihre Angst zumindest wirkte echt, auch wenn alles andere sicherlich erlogen war
.
Aber wovor hatte sie Angst, wenn ihre Geschichte nicht stimmte?
Der Polizist nahm die Hacke und schlug kraftvoll auf die Erde ein. Brocken lösten sich und spritzten zur Seite, er warf die Hacke weg und stieß mit dem Spaten nach.
»Da ist was«, sagte der Polizist. Er keuchte. Seine Haare klebten ihm feucht auf der Stirn, sein Atem dampfte.
»Was?« Mona kam zu ihm.
»Genau hier. Was Weiches. Ich hoffe, ich hab's nicht... Er legte den Spaten weg und kniete sich auf den Boden. Vorsichtig entfernte er die Erdstücke einzeln. Mona beugte sich über ihn, Paula Svatek hielt sich im Hintergrund. Etwas Helles tauchte unter den Händen des Polizisten auf. »Scheiße«, sagte er und hielt inne.
»Es ist Haut«, sagte Mona. Ihr war ein wenig schwindlig, sie hätte sich am liebsten hingesetzt, aber hier gab es keine Möglichkeit dazu. Hinter ihr zog Paula Svatek die Luft scharf ein. Mona beachtete sie nicht. Sie kniete sich neben den Polizisten, der mit langsamen, sorgfältigen Bewegungen ein Gesicht freilegte. Es war sehr weiß und jung und sah unverletzt aus. Die Augen waren halb geschlossen mit langen schwarzen Wimpern, der schön geschwungene Mund schien beinahe zu lächeln. Kein Leichengeruch. Der Körper hatte sich in der kalten Erde gut gehalten. Maximal zwei Tage war sein Tod her, und für diese Erkenntnis brauchte es keinen Entomologen.
»Kennst du ihn?«, fragte der Polizist Mona.
»Ja.«
»Wer ist das?«
»Unser Verdächtiger«, sagte Mona. »Er heißt Milan Farkas.« Sie stand auf, ihre Gelenke knackten hörbar wie bei einer alten Frau. »Wir müssen sie finden«, sagte sie ins Nichts.
»Wen?«
Sie sah auf den Polizisten herunter, der Farkas' Leiche mit erdverschmierten Händen behutsam freilegte.
»Seine Mörderin.« Hinter ihr gab es ein dumpfes Geräusch. Sie drehte sich um und
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