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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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Antwort nur gewartet.
    »Dann mach ich das mal.«
    »Ja«, sagte Mona langsam. »Tu das.«
    Aber er war schon in seinem Zimmer verschwunden. Sie hörte das hektische Aufklappen einer Schranktür und legte ihre Stirn stützend in die Hand. Der Kaffee vor ihr wurde zu einer kalten, bitteren Brühe. Ihr Blick fiel auf Lukas' halb gegessenes Müsli. Sie stand auf, goss den Kaffee in den Ausguss und gab die Müslireste in den Abfall, dann stellte sie das Geschirr in die schon fast volle Spülmaschine. Handgriffe so vertraut wie Zähneputzen und so langweilig, dass man sich schon zwei Sekunden später nicht mehr daran erinnern konnte. Sie nahm eine Reinigungstablette aus dem Karton neben dem Mülleimer, legte sie in die dafür vorgesehene Plastikmulde der Spülmaschine und drückte den Deckel zu. Sie schloss die Maschine, drehte den Bedienungsknopf einen Millimeter nach rechts und hörte das leise Brummen, als sie ansprang.
    Plötzlich dachte Mona an Karin Belolavek. Die Belolavek hatte nichts gehabt außer Hausfrauenarbeit und ihren ehrenamtlichen Job, und das war ihr zu wenig gewesen. Sie hatte etwas anderes gewollt und vielleicht geglaubt, dass Farkas ihr das geben konnte. Eine intelligente, gebildete Frau hatte den Sinn des Lebens in einer Affäre mit einem Halbwüchsigen gesucht. Konnte jemand wie Karin Belolavek wirklich so naiv sein?
    Aber Mona dachte an jene Frauen - oftmals intelligente, leidenschaftliche, tüchtige Frauen -, die nichts Besseres zu tun hatten, als Jahre ihres Lebens im Engagement für männliche Strafgefangene zu verschwenden. Sie hatte Briefe dieser Frauen gelesen, schwärmerisch alberne Traktate über wahre Liebe in Zeiten gesellschaftlichen Widerstandes. Kein Delikt schien schlimm genug, um sie abzuschrecken, im Gegenteil. Je brutaler und perverser der Geliebte in Freiheit gewesen war, desto höher die Anzahl williger Therapeutinnen und fanatischer Heiratsanwärterinnen. Nette Frauen im Allgemeinen. Warum taten sie solche Dinge? Was hatten sie davon?
    Die meisten sind einsam, dachte Mona, während sie ein feuchtes Putzschwämmchen mit Spülmittel beträufelte, Krümel und Butterreste vom Tisch wischte und mit einem Handtuch die Platte nachpolierte. Sie erschauerte vor einem plötzlichen Gefühl elementarer Leere: Einsamkeit. Aber Karin Belolavek hatte einen fleißigen Mann und eine begabte, hübsche Tochter gehabt. Was war also ihr Motiv gewesen, all das aufs Spiel zu setzen? Ihre Familie hatte ihr nicht genügt, etwas Wesentliches hatte gefehlt. So
musste
es gewesen sein, denn niemand hatte sie gezwungen, diese riskante Beziehung zu beginnen. Es war ihre freie Entscheidung gewesen, die wichtigsten Menschen in ihrem Leben zu hintergehen.
    Warum hatte sie das getan? Warum musste ihr Mann sterben? Und: Wo waren sie und ihre Tochter jetzt? Ebenfalls tot? Auf der Flucht - und wenn ja: vor wem liefen sie davon?
    Keine einzige dieser Fragen konnten sie beantworten. Trotz all ihrer Aktivitäten hatte sich noch immer nichts voranbewegt. Stattdessen war ein Verdächtiger flüchtig, und ein Kollege lag im Koma.
    Mona wusch sich die Hände in der Spüle und cremte sie mit einer Lotion ein, die billig war und auch so roch, aber ihren Zweck erfüllte. Sie musste an Anton denken, der nichts lieber tat, als ihr teure Sachen zu schenken, die sie nicht annehmen wollte, denn sie erkannte sehr wohl, dass es sich dabei um einen Deal handelte. Ich gebe dir, was du dir wünschst, dafür lässt du mich leben, wie es mir passt, lauteten Antons Bedingungen, und es verstand sich von selbst, dass Mona darauf niemals eingehen würde.
    Mona zog ihren Parka über und scheuchte Lukas aus seinem Zimmer. Er hatte ihren größten Koffer und noch eine Reisetasche voll gepackt. Mona beschloss, gar nicht erst hineinzusehen und ihm stattdessen die wichtigen Dinge - Unterhosen, Waschzeug, frische T-Shirts - heute Abend mitzubringen. Lukas nahm die Reisetasche, sie den Koffer, und gemeinsam schleppten sie alles die Treppe hinunter. Lukas würde zu früh da sein, weil ihre Dienstzeiten nicht mit seinen Unterrichtszeiten korrespondierten, aber daran war er gewöhnt.
    Als sie auf dem noch leeren Schulhof ankamen, wollte er Koffer und Reisetasche aus dem Kofferraum wuchten. Herbstlich kalte Luft zog in das Auto.
    »Lass drin«, sagte Mona. »Ich bring dir das heute Abend zu Papa.«
    Lukas nickte und schoss davon, ohne sich zu verabschieden. Mona wendete und fuhr durch eine kleine Allee mit Kastanienbäumen zum schmiedeeisernen

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